Seit Monaten war sie im Gespräch, nun wurde sie beschlossen: Die Impfpflicht für Pflegekräfte.
In der Vergangenheit hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) immer wieder beteuert, eine Impfpflicht schließe er kategorisch aus. War er wirklich davon überzeugt, dass sie keine Wirkung zeigen würde? Oder handelte es sich um eine von vielen wichtigen gesellschaftspolitischen Entscheidungen, die im Wahljahr 2021 vom Kalkül um Wählerstimmen bestimmt wurden?
Nun also doch die Impfpflicht. Nicht für jeden, nein. Wäre ja auch zu einfach und übersichtlich. Die Pflege- und andere Kräfte im Gesundheitswesen sollen es richten. Als nächstes wären dann auch andere Berufszweige dran, deren Angehörige mit vielen Menschen in Kontakt kommen. Lehrer zum Beispiel. Doch die sind ohnehin fast durchgängig geimpft. Blöde Sache. Dann vielleicht ErzieherInnen?
Wisst ihr mehr als wir?
Um es vorweg zu nehmen: Eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufe halte ich persönlich für das falsche Signal. Entweder hilft die Impfpflicht beim Kampf gegen Corona, – dann sollten alle mitmachen -, oder sie tut es nicht. Apropos Signale: wenn wir pflegebedürftige Senioren und geschwächte Patienten impfen, sich Pflegekräfte und Ärzte aber zieren, fragt man sich natürlich, welches Mehrwissen sie als Fachleute im Gesundheitswesen haben mögen.
Der Großteil der Bevölkerung versucht seit fast 2 Jahren, den Pflegekräften den Rücken frei zu halten, indem er sich und andere schützt – unter anderem mit einer Impfung. Dass ausgerechnet diese Pflegekräfte in Kauf nehmen, selbst zum Intensivpatienten zu werden und die ohnehin knappen personellen Ressourcen in Anspruch zu nehmen, ist ein merkwürdiges Signal.
Alternativen und Prioritäten
Natürlich ist mir bewusst, dass Pflegekräfte auch nur Menschen sind und den nicht in Langzeitstudien getesteten Impfstoffen skeptisch gegenüberstehen. Das tun die meisten von uns. Aber was ist die derzeitige Alternative? Nach 2 Jahren des Herumprobierens mit Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Masken, Tests…?
Als (gesellschafts-)kritischer Autor setze ich mich gerne für Pflegekräfte ein und erinnere an die (eigentlich längst bekannten) Missstände in ihrer Branche. Aber wenn nun Pflegekräfte kündigen, weil sie sich zu etwas gezwungen sehen, was viele in der Gesellschaft als selbstverständlich betrachten, – auch um sie zu entlasten -, muss ich mich schon fragen, ob sie ihre Prioritäten richtig setzen.
Wenn schon Nein, dann zu den richtigen Fragen
Es gibt sicher viele Gründe, seinen Pflegeberuf an den Nagel zu hängen: Die Arbeitszeiten, Stress, schlechte Bezahlung, ein mieser Dienstplan und so weiter. Und es gibt viele Pflegekräfte, die sich neben ihrer anstrengenden Arbeit bemühen, darauf aufmerksam zu machen und für Abhilfe zu kämpfen.
Die Gesellschaft interessiert das! Aber sie versteht nicht, wieso wir selbst unsere Kinder impfen lassen, wenn auf der anderen Seite Pflegekräfte sagen: „Nö, macht das mal alleine!“
3 Millionen nicht geimpfte über 60 Jahren – ist das die Unterstützung in der Gesellschaft von der Sie sprechen?
Drei Millionen ungeimpfte Deutsche über 60 Jahren sind in der Tat zu viel. Allerdings sollte man bedenken: a) Besteht die Gesellschaft nicht nur aus Senioren. b) Liegt die Quote der geimpften Ü60 bei fast 90% und damit deutlich über dem Schnitt der ungeimpften Pflegekräfte, die ihnen eigentlich als Vorbild dienen sollten. c) Zählen viele ältere Menschen zur vulnerablen Bevölkerungsgruppe und tragen bei einer Impfung tatsächlich ein höheres Risiko zu erkranken, weshalb ihre Skepsis verständlich ist. d) Sind 20 Millionen geimpfter gegenüber 3 Millionen ungeimpfter Senioren durchaus die Mehrheit der älteren Gesellschaft.
Ich lese immer Impfpflicht für Pfleger. Ist das echt so ein wichtiges Thema? Taucht hier im Blog gefühlt in jedem zweiten Beitrag auf.