PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen

Das Pflegestärkungsgesetz und die PeBeM

Ab dem 1. Juli 2023 gibt ein neues, bundeseinheitliches Verfahren die Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen vor: Die PeBeM.

Bislang wichen die Personalrichtwerte und Regelungen der Bundesländer voneinander ab, das einzige verbindende Element bestand in einer pauschalen Pflegefachkraftquote von 50 Prozent.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sah allerdings die „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI“ vor.

Mit dieser Aufgabe wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen betraut. Dankenswerterweise setzte sich frühzeitig die Kurzbezeichnung PeBeM durch.

Professor Rothgangs Team sammelte zunächst im Rahmen einer Studie Daten aus 62 Pflegeeinrichtungen. Auf Grundlage der folgenden Auswertungen wurde ein Algorithmus entwickelt, der die zur Betreuung innerhalb einer Einrichtung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation errechnet.

Ergebnisse der Rothgang-Studie

Die Ergebnisse der Studie und die daraus resultierenden Erkenntnisse und Maßnahmen haben wir für Sie im Zwillingsartikel PebeM: Neues zur Altenpflege zusammengefasst. Er nennt auch konkrete Zahlen zu dem anhand der Studienergebnisse errechneten, personellen Mehrbedarf in der (Alten-)Pflege.

Wie aber funktioniert die PeBeM?

Für die PeBeM wurden gesammelte Daten ausgewertet und daraufhin ein Algorithmus entwickelt.

Die PeBeM basiert auf je zwei quantitativen wie qualitativen Faktoren, die sich auf die Bewohner einerseits (Case-Mix) und die Pflegekräfte andererseits (Care-Mix) beziehen und aufeinander abgestimmt werden, um die Pflegezeiten und den Personalbedarf zu errechnen.

Auf diese Weise orientiert sich der Fachkräfteeinsatz stets am individuellen Pflegegradmix der Einrichtung. Bei einem hohen Anteil an Bewohnern mit Pflegegrad 4 oder 5 etwa – und dem damit verbundenen, hohen Pflegeaufwand – werden besonders viele Pflegefachkräfte garantiert.

Der Case-Mix

Der Case-Mix bezeichnet den Pflegebedarf der Bewohner. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Anzahl der Bewohner und
  •     Pflegegrad der Bewohner der Einrichtung.

Dem Case-Mix werden die Qualifikationen und die Wochenarbeitsstunden der Pflegekräfte gegenübergestellt (Care-Mix).

Der Care-Mix

Der Care-Mix bezeichnet die zur Verfügung stehenden Pflegeressourcen. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Vollzeitäquivalent und
  •     Qualifikationsstufe der Pflegekräfte.

Das Vollzeitäquivalent: Gradmesser für die Stundenzahl der Pflegekräfte

Ein Schlüsselbegriff beim Care-Mix ist das so genannte Vollzeitäquivalent. Diese Bezugsgröße entspricht der Wochenarbeitszeit einer Vollzeitpflegekraft und ist ungefähr das, was bei der Bruchrechnung der gemeinsame Nenner ist.

Da in stationären Einrichtungen oftmals viele Teilzeitkräfte mit verschiedensten Arbeitszeitmodellen beschäftigt sind, müssen deren Arbeitszeiten zunächst auf das entsprechende Vollzeitäquivalent umgerechnet werden.

Arbeitet eine Vollzeitkraft innerhalb einer Einrichtung zum Beispiel 40 Stunden pro Woche, entspricht dies einem Vollzeitäquivalent. Ein Mitarbeiter in 20%-Teilzeit und einer entsprechenden Wochenarbeitszeit von 8 Stunden kommt folglich auf ein Vollzeitäquivalent von 0,2.

Bliebe es bei diesen beiden Pflegekräften, hielte die Pflegeeinrichtung also 1,2 Vollzeitäquivalente zur Betreuung bereit.

Qualifikationsstufen: Ausbildungsgrad der Pflegekräfte

Zweite Bezugsgröße für den optimalen Care-Mix ist die Qualifikation der Pflegekräfte. Sie wird in vier Qualifikationsniveaus (QN) und drei Qualifikationsstufen unterteilt:

Qualifikationsstufe 1

QN 1: Personen ohne Ausbildung, nach 4 Monaten angeleiteter Tätigkeit

QN 2 (Pflege): Personen ohne Ausbildung mit einem 2-6monatigen Pflegebasiskurs und 1-jähriger angeleiteter Tätigkeit; QN 2 (Betreuung): Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI und § 53c SGB XI

Qualifikationsstufe 2

QN 3: Pflegeassistenzkräfte mit 1- oder 2-jähriger Ausbildung

Qualifikationsstufe 3

QN 4: Pflegefachpersonen/-kräfte mit 3-jähriger Ausbildung

PeBeM und Mindestpersonalvorgaben der Länder: Was gilt denn nun?

Mithilfe der PeBeM kann der individuelle Personalbedarf je Einrichtung rechnerisch exakt ermittelt werden. Wichtig: Die Personalschlüssel je Pflegegrad stellen künftig lediglich eine bundeseinheitliche Höchstgrenze dar, die durch die Pflegesatzvereinbarungen abgedeckt wird. Die Mindestpersonalaustattung in Einrichtungen wird weiterhin durch die Personalrichtwerte des jeweiligen Bundeslandes bestimmt.

Wie erfolgt die Zuordnung?

Die Vollzeitäquivalente und Qualifikationsstufen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) unter § 113c SGB XI der „Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ den einzelnen Pflegegraden zugeordnet. So werden beispielsweise für einen Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 folgende Personalanhaltswerte vorgegeben (komplette Tabelle nachstehend):

  •     Hilfskraft ohne Ausbildung (Qualifikationsstufe 1): 0,1758 Vollzeitäquivalente
  •     Hilfskraft mit Helfer- oder Assistenzausbildung von mindestens einem Jahr(Qualifikationsstufe 1): 0,1102 Vollzeitäquivalente
  •     Fachkraft (Qualifikationsstufe 3): 0,3842 Vollzeitäquivalente

 

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,0770 –        Pflegegrad 1

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1037 –  Pflegegrad 2

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1551 – Pflegegrad 3

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,2463 – Pflegegrad 4

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,3842 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0564 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0675 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1074 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1413 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1102 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,0872 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1202 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1449 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1627 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1758 – Pflegegrad 5

 

Quelle: § 113c Sozialgesetzbuch (SGB XI)

 

Eine höhere personelle Ausstattung ist möglich, aber nur unter bestimmten Umständen wirtschaftlich sinnvoll. Zum Beispiel, wenn sie in der bestehenden Pflegesatzvereinbarung festgehalten wurde oder die Einrichtung ihr Ausfallmanagement über einen Personalpool reguliert.

So oder so müssen aber in der Altenpflege zunächst ausreichend Pflegefachkräfte zur Verfügung stehen. Der Berufsstand benötigt ebenso eine Aufwertung wie die Ausbildungsbedingungen. Hierüber erfahren Sie mehr in meinem zweiten Blog-Beitrag zur PeBeM: Neues zur Altenpflege.

PeBeM: Neues zur Altenpflege

Ziel der Personalbemessung in der Pflege (PeBeM)

Ab 1. Juli 2023 trat die Vorgabe zur Personalbemessung in der Pflege (PeBeM) in Kraft. Ihr Ziel: Die knappen Ressourcen in der vollstationären Altenpflege sollen möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden. Deshalb definiert die PeBeM auch – anders als etwa die PpUGV in der Fachkrankenpflege – keine personellen Untergrenzen, sondern orientiert sich an den Pflegesatzvereinbarungen, deren Bemessungsgrundsätze im Sozialgesetzbuch festgehalten sind. Vorgaben zur Mindestpersonalausstattung gibt es aber auch – mehr dazu gleich im Anschluss.

Wen betrifft die PeBeM?

Die PeBeM betrifft lediglich vollstationäre Einrichtungen der Langzeitpflege. Hiervon ist besonders die Altenpflege betroffen, die den Großteil der stationären Einrichtungen ausmacht.

Im teilstationären Bereich müssen ein geringerer Anteil an Fachkraftaufgaben und Überschneidungen mit der ambulanten Pflege und dem betreuten Wohnen beachtet werden. Daher wurde von der Einführung der PeBeM als einheitliches Instrument zur Personalbemessung abgesehen.

Auch auf die ambulante Pflege ist die PeBeM nicht anwendbar, weil die durch Pflegebedürftige und deren Angehörige in Anspruch genommenen Hilfen nicht objektiv bewertet werden können.

Ermittlung des individuellen Pflegepersonalbedarfs

Die Pflegeeinrichtungen errechnen ihren individuellen Personalbedarf aufgrund der PeBeM-Kennzahlen und gleichen ihn mit den vorhandenen Ressourcen ab. Liegt eine qualitative oder quantitative Unterdeckung vor, – laut einschlägigen Studien ist die Wahrscheinlichkeit groß –, muss nachgebessert werden.

Da eine entsprechende Personalentwicklung viel Zeit in Anspruch nimmt, gilt für die tatsächliche Umsetzung der PeBeM in den Einrichtungen ein Übergangszeitraum bis 2025.

Eine bundeseinheitliche Regelung zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs existierte vor der PeBeM nicht. Stattdessen schrieb eine Fachkraftquote von 50% pauschal den Anteil der Pflegefachkräfte im Personalbestand fest.

In Altenheimen herrscht ein individueller Pflegepersonalbedarf

Außerdem definierten die einzelnen Bundesländer voneinander abweichende Personalrichtwerte, welche die Anzahl an Heimbewohnern und Pflegekräften ohne Berücksichtigung des Pflegeaufwands gegenüberstellten. Weitere landesbezogene Unterschiede erschwerten eine vereinheitlichende Regelung. Obwohl die landeseigenen Richtwerte zum Teil stark voneinander abweichen, bleiben Sie auch der vollstationären Pflege als Mindestpersonalausstattung erhalten.

Blog-Artikel PeBeM 2023: Wie geht sie eigentlich?

Wie aber werden diese Mindestpersonalausstattung und die optimale Personalausstattung gemäß PeBeM errechnet? Auf welchen Personalkennzahlen basiert letztere? Und wo liegt der Unterschied? Diese und weitere Fragen beantwortet Ihnen mein zweiter Blog-Beitrag PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen.

Die Ursprünge der PeBeM

Zwar wurden in der Vergangenheit mehrere Versuche unternommen, ein Verfahren zur Vereinheitlichung einzusetzen. Bereits bei Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 stand die Personalbemessung von Pflegeheimen zur Debatte.

Allerdings scheiterten alle bisherigen Ansätze – auch deshalb, weil stets die Belastung der Pflegekräfte und die Pflegekosten im Mittelpunkt standen, nicht aber die Qualität der Pflege.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sollte Abhilfe schaffen. Es hat grundlegende Veränderungen und Verbesserungen im Pflegesystem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zum Inhalt.

Unter anderem schrieb es verbindlich die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Personalbemessung vor, das die knappen Personalressourcen optimal zu verteilen vermag. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen mit dieser Aufgabe betraut.

Rückschau: Gescheiterte Modellverfahren zur Pflegebedarfsermittlung

Schon 1996 wurde das Standard-Pflegesatz-Modell (SPM) ersonnen. Aufgrund massiver Kritik wegen inhaltlicher Fehler – unter anderem bei der Berechnung der Stundensätze und Zuschläge – wurde das Modell ebenso wie das in Kanada entwickelte PLAISIR-Verfahren wieder verworfen. Allerdings lieferte das SPM wertvolle Erkenntnisse, die in die Entwicklung von Prof. Rothgangs Bemessungsverfahren einflossen. Unter anderem die, dass die Jahresnettoarbeitszeit nicht als fixe Größe, sondern als variabler Parameter eingebaut werden sollte.

Der Algorithmus und die Erkenntnisse der Rothgang-Studie

Sein Team wertete zunächst im Rahmen einer Studie große Mengen von Daten aus, die in 62 Pflegeeinrichtungen gesammelt worden waren, etwa die Anzahl der Bewohner und Betreuungspersonen sowie die erfolgten Interventionen (pflegerische Aktivitäten). Auf deren Grundlage wurde ein Algorithmus entwickelt, der anhand der Anzahl und des Pflegegrades der Heimbewohner exakt die zur Betreuung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation (QN) errechnet.

Diese Soll-Zahlen wurden innerhalb der Studie mit dem Ist-Zustand in den untersuchten Einrichtungen abgeglichen. Das ernüchternde, wenngleich kaum überraschende Ergebnis: Dort herrscht ein gewaltiger personeller Mehrbedarf. Um eine gute Versorgung gemäß PeBeM gewährleisten zu können, müssten die Einrichtungen ihr Personal um satte 36% aufstocken.

Der Personalbestand innerhalb der Einrichtungen wurde mit den Soll-Zahlen abgeglichen.

Die Nachtwache bleibt außen vor

Nicht nur die ambulante und teilstationäre Versorgung ist von der PeBeM ausgeklammert, sondern auch eine einheitliche Regelung zur Personalbesetzung im Nachtdienst. Diese ist nämlich ebenfalls Ländersache – mit „teils katastrophalen und gesundheitsgefährdenden Folgen“ (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest). Nur in vier Bundesländern existierten demnach konkrete Vorgaben für die Besetzung mit Pflegefachpersonen in den Nachtstunden.

Raritäten in der Altenpflege: Assistenzkräfte

Der personelle Ressourcenmangel machte sich während der durchgeführten Studie unter anderem dadurch bemerkbar, dass notwendige Interventionen oder Teilschritte wie das Desinfizieren der Hände aus Zeitmangel nicht durchgeführt wurden.

Besonders hoch ist mit 69% der Mehrbedarf bei den Pflegeassistenzkräften. Das hängt maßgeblich damit zusammen, dass sie ebenso wie ungelernte Hilfskräfte nicht zu den Fachkräften zählen und beispielsweise keine Medikamente ausgeben dürfen. Logischerweise wurden die vergleichsweise teure Assistenzkräfte in den letzten Jahren kaum eingestellt.

Die PeBeM bedenkt sie nun mit einer eigenen Qualifikationsstufe (QN 3) und wertet ihre Tätigkeit somit gegenüber den ungelernten Pflegehilfskräften auf.

Der Schlüssel zu einer verbesserten Pflege liege neben der reinen Personalmengensteigerung vor allem in der Organisations- und Personalentwicklung, so Rothgang. Da sich viele erfahrene, jedoch nur mit QN 1 eingestuften Pflegehilfskräfte aufgrund der genannten Problematik die Ausbildung zum einjährigen Pflegeassistenten (QN 3) erspart hatten, müssen die Pflegeeinrichtungen sie nun aktiv dazu anhalten, diese Qualifizierung doch noch zu durchlaufen.

Rollenspiel: Delegieren für Anfänger

Qualifizierte Fachkräfte wiederum wandten im Untersuchungszeitraum einen großen Teil ihrer sogenannten Fachkraftzeit für Interventionen im falschen QN auf, die auch geringer qualifizierte Helfer hätten ausführen können. Die Methode „Jeder macht alles“ müsse künftig – nicht nur in der Altenpflege – durch eine kompetenzorientierte Pflege ersetzt und die Rolle von Pflegefachkräften und deren Aufgaben wie Planung, Anleitung, Beaufsichtigung, Evaluation und Delegation klarer definiert werden.

Ein Umdenken ist erforderlich. Die Pflegefach- und Assistenzkräfte sollten nach Professor Rothgangs Meinung zunächst ihre neuen Rollen annehmen und manche Aufgaben an Hilfskräfte abgeben. Darüber hinaus müssten alle Pflegekräfte wieder lernen, ohne Hetze zu arbeiten. Ob das beim vorherrschenden Personalmangel – laut der Studie besteht in der Pflege ein Mehrbedarf von über 100.000 Vollzeitäquivalenten – ein machbares Ziel ist?

Um schrittweise zusätzliches Pflegepersonal gewinnen zu können, wurden seit Beginn 2021 durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer ersten Personalausbaustufe 20.000 zusätzliche Stellen für Assistenzkräfte von der Pflegeversicherung finanziert. Ab Juli 2023 folgen Stufe 2 und ab 2025 mögliche weitere Ausbaustufen. Ein früheres Stellenprogramm mit 13.000 Stellen für Pflegefachpersonen läuft bereits seit Anfang 2019.

Das klingt nach einem Plan. Zumindest so lange, bis man den Soll-Zahlen den Istbestand gegenüberstellt. Denn bei den Pflegefachkräften wurden im Jahr 2019 lediglich rund 4.000 sogenannte Kopfstellen finanziert und damit 2.800 Vollzeitäquivalente geschaffen. Außerdem wurden 2021 nur etwa 4.400 Stellen für Pflegehilfskräfte bewilligt.

Verbesserung der Ausbildungsbedingungen

Neueinstellungen und organisatorische Änderungen sind immerhin ein Anfang. Allerdings sei aber auch die Schaffung adäquater Ausbildungsstrukturen eminent wichtig, so Rothgang weiter.

Bereits vor Jahren beklagte der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e. V. (BLGS) einen deutlichen Lehrermangel in der Pflege und eine zunehmende Verschlechterung in der Qualität der Ausbildung. Er forderte daher einen „Hochschulpakt Pflegebildung“, der beispielsweise unbefristete Stellen für Lehrbeauftragte und dauerhaft ausfinanzierte Studienplätze beinhalten sollte.

Um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz zu unterstützen, starteten das Bundesfamilien-, das Bundesgesundheits- und das Bundesarbeitsministerium bereits 2019 die „Ausbildungsoffensive Pflege“.

Eines der Ziele: Werbung für eine Ausbildung in der Pflege. Außerdem sollten gut ausgebildete und engagierte Pflegefachkräfte qualifiziert und Pflegeschulen sowie ausbildende Einrichtungen bei der Umstellung auf die neuen Ausbildungen unterstützt werden.

Pflegekräfte: Viel Glück beim Ausbildungsbeginn!

Für die Zeitdauer der „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019-2023) war ein Zuwachs von 10% angedacht. Tatsächlich stiegen die Ausbildungszahlen für Pflegekräfte 2021 jedoch nur um 7% – viel zu wenig. Zumal laut „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021“ der Gewerkschaft ver.di gerade mal 43% der befragten Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden sind. Zum Vergleich: Auszubildende in anderen Berufen erreichen im Schnitt Prozentwerte von über 70% Zufriedenheit.

Der Personalmangel und die chronische Unterbesetzung in der Pflege machen sich bereits in der Ausbildung bemerkbar: Fast zwei Drittel der Auszubildenden in der Altenpflege klagen über permanente und hohe Belastungen, Überstunden und darüber, dass ihre Praxisanleiter keine Zeit zum Anlernen haben. Schlechte Vorzeichen für den Berufseinstieg.

Wie so oft in den letzten Jahren, droht die Pflege auch diesen Wettlauf gegen den zunehmenden Bedarf zu verlieren. Denn unsere Gesellschaft altert rapide – und mit ihr die Pflegekräfte. In manchen Einrichtungen gehören mehr als ein Drittel der Pflegekräfte der Gruppe Ü50 an. Treten Sie ihre Rente an, dürften die nachrückenden Berufsabsolventen zahlenmäßig bei weitem nicht ausreichen, ihr Ausscheiden zu kompensieren.

Falls nicht bald eine Lösung zur Behebung des Pflegenotstands gefunden wird, werden sie sich auch im hohen Alter noch mit ihm konfrontiert sehen – dann aus Patientensicht.

Bye bye Pflege (Teil 5)

Dazu müssen Pflegeberufe allerdings künftig mehr Anreize bieten. Bereits heute fehlen in Pflegeheimen 120.000 zusätzliche Vollzeit- oder 200.000 Teilzeitstellen, wie der Gesundheitsökonom Prof. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen im Auftrag der Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Berufsverbände errechnet hat. „Der Markt ist komplett leer gefegt“, so sein Fazit. „Die andere Hälfte des Notstands ist aber, dass es im Pflegebereich viel zu wenig Stellen gibt.“

Der Mindestbedarf muss gedeckt werden

Diesem Manko trägt man mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Rechnung, welches einen Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Schaffung von 20.000 zusätzlichen Stellen für Pflegehilfskräfte vorsieht. Es stützt sich auf ein Verfahren zur Errechnung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen, das am SOCIUM Forschungszentrum erarbeitet wurde.

Rasches Handeln ist nötig, wie Studien beweisen. So hat das Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) deutschlandweit knapp 2.000 Pflegeexperten aus Pflegeheimen und ambulanten Diensten befragt, inwieweit sich deren Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie verschlechtert haben. 40 Prozent der Befragten klagten über eine Zunahme der körperlichen Belastung. Die psychische Belastung sei gar um bis zu 65 Prozent gestiegen. Grund für die Mehrbelastung in der stationären Pflege seien zusätzliche Aufgaben, die im Zuge der Pandemie angefallen seien.

Nur jede 5. Stelle wird besetzt

In einer anderen Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) berichteten bis zu 84 Prozent der befragten Pflegekräfte von Personalmangel, Überlastung und dem aus Zeitnot resultierenden Wegfall pflegerischer Tätigkeiten wie Körper- und Mundpflege von Patienten oder der Vorbeugung von Thrombosen oder Infektionen. Darüber hinaus gehen zwei Drittel der Pflegenden täglich mit der Angst zur Arbeit, sich und ihre eigene Familie mit dem Corona-Virus anzustecken.

Schätzungen zufolge entfielen auch vor der Pandemie auf 100 freie Stellen in der Altenpflege gerade mal 27 Bewerber. Am Ende wird nur jede fünfte Stelle besetzt. Und das dauert im Durchschnitt ein halbes Jahr. Sechs Monate, in denen Patienten schlechter versorgt werden, als es ihnen zusteht. In denen Pflegekräfte täglich ein Plus auf ihre Schicht packen, ein Plus an Arbeit, an Zeit, an Menschlichkeit, an Würde.

Es ist an der Zeit, dieses Plus zu honorieren. In Form von zusätzlichen Pflegekräften, von besserer Aus- und Fortbildung, höheren Löhnen und beruflichen Perspektiven. In Form von Respekt.

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Bye bye Pflege (Teil 4)

Die Realität sieht derzeit anders aus. Während der Pandemie wurden im Pflegebereich teilweise Arbeitszeit- und Schutzgesetze sowie Pflegepersonal-Untergrenzen ausgesetzt, um Mehrarbeit und durchgearbeitete Wochenenden zu ermöglichen. Alte, vorerkrankte und sogar positiv getestete Mitarbeiter mussten zum Dienst erscheinen, weil sie nicht abkömmlich waren.

Im Berliner Humboldt-Klinikum durften sich die Beschäftigten nach einem Ausbruch der Coronavirus-Mutation B.1.1.7. innerhalb einer Pendelquarantäne im Januar 2021 nur zwischen der Klinik und ihrem Zuhause bewegen. Essen, schlafen, arbeiten.

Pflegen statt Fliegen

Ein anderes bekanntes Berliner Klinikum – die Charité – stockte vorübergehend den Personalbestand im Pflegedienst durch Flugbegleiterinnen auf, die sich in Kurzarbeit befanden. So konnten Fachpflegekräfte entlastet werden und die Intensivstationen unterstützen.

Viele Lösungen sind und waren improvisiert und dem Corona-Virus geschuldet. Doch auch unabhängig vom Pandemiegeschehen fehlt es seit langer Zeit an vielem. An besserer Qualifikation durch Aus- und Fortbildung zum Beispiel oder an der Übertragung von Verantwortung.

Qualifizierung als Anreiz

„Weil die Pflege ein Assistenzberuf ist, müssen Ärzte fast alles erstmal abnicken“, so die Professorin Henrikje Stanze von der Hochschule Bremen. Da Pflegekräfte jedoch eigene Kompetenzbereiche haben, wird an ihrer Fakultät seit dem Wintersemester 2019/2020 Deutschlands erster international anerkannter Vollzeit-Pflegestudiengang angeboten.

Das auf acht Semester ausgelegte Studium mit dem Abschluss Bachelor of Science umfasst Theorie- und Praxisphasen und ein verpflichtendes Auslandssemester. So erhalten Studierende Einblick in die Organisation anderer Länder und Wissen über dort übliche Hilfsmittel und Behandlungsmöglichkeiten. Da der Studiengang international angelegt ist, können auch ausländische Studierende ihn besuchen – und so den Einstieg in die deutsche Pflegebranche finden.

 

*** Welche Ansätze existieren außerdem? Teil 5 schließt das Thema (vorläufig) ab. ***


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Bye bye Pflege (Teil 3)

Natürlich sind es nicht die Prämien, die pflegende Menschen in ihrem Job halten oder sie diesen ergreifen lassen. Es ist ihr Berufsethos: der Wunsch, anderen Menschen zu helfen. Doch auch das größte Engagement leidet, wenn man innerhalb einer 12-Stunden-Schicht um das Leben und die Genesung von Patienten ringt, die Ansteckungsgefahr mit dem Tragen von Schutzkleidung und dem Desinfizieren von Gegenständen niedrig hält – und auf dem Heimweg in eine polizeibegleitete Massendemonstration gegen Schutzmaßnahmen gerät.

Längst geht es nicht mehr nur um zu geringe Löhne und zu belastende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. Aber eben auch.

Laut einer Daten-Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) aus dem Jahr 2019 lag der Lohn bei einem Drittel der Pflegekräfte und bei 15 % der Pflegefachkräfte in der Altenpflege unterhalb der Niedriglohnschwelle von 2.203 Euro brutto im Monat.

Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, hat daher ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro für Pflegefachkräfte als angemessene und gegenüber anderen Berufsgruppen konkurrenzfähige Entlohnung angeregt. Er möchte damit auch „Pflegende motivieren, ihre Teilzeitstellen aufzustocken oder in den Beruf zurückzukehren.“

Neben höheren Löhnen fordert er unter anderem auch einen besseren Gesundheitsschutz und ein bundeseinheitliches Bemessungsverfahren, um die Personalbestände aufstocken zu können.

Reform-Entwürfe im Wahljahr 2021

Einen weiteren Vorstoß hin zu einem einheitlichen Tarifvertrag für Pflegekräfte in der Altenpflege unternahm 2021 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein „Gesetzentwurf für ein Pflege-Tariftreue-Gesetz“ macht Tariflöhne zur Bedingung für Abrechnungen mit der Pflegeversicherung. „Betreiber von Pflegeeinrichtungen bekommen nur dann Geld aus der Pflegeversicherung, wenn sie ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen“, so Heil.

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in seinem Entwurf zur Reform der Pflegefinanzierung bereits angeregt, in Zukunft nur noch Pflegedienste und Pflegeheime zuzulassen,  die nach Tarif oder tarifähnlich bezahlen.

 

*** Wurde dieser Plan umgesetzt? Und welche Gründe halten Menschen abseits der niedrigen Löhne davon ab, einen Pflegeberuf zu ergreifen? Das schildere ich Ihnen in Teil 4. ***


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Bye bye Pflege (Teil 2)

Dies spiegelt die Situation innerhalb der Branche: Einer  Untersuchung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) zufolge erwägt jede dritte Pflegekraft einen beruflichen Wechsel.

Viele halten nur noch aus Pflichtbewusstsein durch. Sie haben ihren Ausstieg aus der Pflege lediglich auf die Zeit nach Corona aufgeschoben. Die Pandemie beschleunigt also derzeit trotz erschwerter Arbeitsbedingungen den Fachkräftemangel nicht unbedingt, sondern bremst ihn ironischerweise sogar vorübergehend ab. Nicht aber den Frust.

Pflegekräfte helfen aus Überzeugung

Zwar genießen Pflegekräfte wegen ihrer engagierten Einstellung zu ihrem Beruf große Anerkennung innerhalb der Gesellschaft. Sie gelten als „Überzeugungstäter“, weil sie ihre Arbeit als sinnvoll und erfüllend empfinden.

Die physischen und psychischen Belastungen ihres Jobs nötigen uns allen viel Respekt ab und wären vielen Menschen in Deutschland selbst bei besserer Bezahlung nicht zumutbar.

Patienten behandeln, Senioren pflegen, Sterbenden die Hand halten. Im Schichtbetrieb und unter oftmals stressigen Voraussetzungen. Dazu seit einem Jahr unter Corona-Bedingungen inklusive erhöhter Ansteckungsgefahr.

Ein Stolperstein für die Pflege: Keine einheitlichen Löhne

Abhilfe in der Altenpflege hätte der zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelte, flächendeckende Tarifvertrag schaffen können.

Um diesen umsetzen zu können, wäre laut Gesetz die Zustimmung der kirchlichen Träger Caritas und Diakonie erforderlich gewesen, die in der Altenpflege zusammen rund 300.000 und damit mehr als ein Viertel der dort tätigen Pflegekräfte beschäftigen.

Während sich jedoch die Diakonie eines Votums enthielt, lehnte die Caritas den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags ab. So bleibt also erstmal alles beim Alten.

Prämie oder Plätzchen?

Es passt ins Bild, dass in den vergangenen Jahren die Finanzierung der Corona-Prämien erst heiß diskutiert wurde und diese später nur einem Teil der unter erhöhter Gefahr arbeitenden Pflegekräfte ausgezahlt wurden.

Ihre Kollegen, in deren Pflegeheim oder Krankenhaus möglicherweise ein oder zwei Corona-Patienten weniger versorgt wurden oder die über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind, mussten sich derweil mit Applaus, Plätzchen oder Christstollen begnügen.

 

*** Wie aber könnte man Pflegekräfte halten – und neue hinzugewinnen? Mehr dazu in Teil 3. ***


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Bye bye Pflege (Teil 1)

Pflege ist sexy – so lange sie dem eigenen Körper gewidmet ist. Ein großer Teil der täglich konsumierten 10.000 Werbebotschaften gilt denn auch diversen Pflege- und Kosmetikprodukten. Durch die Flut dieser sich ähnelnden Botschaften leiden Konsumenten allerdings mehr und mehr an Werbeblindheit, nehmen sie und die jeweils beworbenen Produkte also längst nicht mehr bewusst wahr.

Ein Schicksal, das auch die Berichterstattung über die andere Pflege betrifft. Die, welche sich mit der Betreuung hilfsbedürftiger, kranker und alter Menschen beschäftigt. Und die gemeinhin nicht als sexy gilt. Die regelmäßig in Dokumentarbeiträgen, Talk-Shows und unserer Wahrnehmung auftaucht – und doch wieder in Vergessenheit gerät, sogar in der pflegeintensiven Corona-Zeit. In der Berichte über erschwerte Arbeitsbedingungen, geplatzte Tarifverträge und Fachkräftemangel rasch durch andere, aktuellere Informationen ersetzt werden.

Hilft verdrängen wirklich?

Vieles spricht dafür, dass die meisten von uns früher oder später auf die Dienste von Pflegekräften angewiesen sein werden. Diese These wird von den meisten Menschen aber ähnlich tabuisiert wie die einzige Gewissheit im Leben: Dass alles Lebendige vergänglich ist – und wir alle irgendwann sterben werden.

Dem entsprechend, zählt Pflegebedarf zu den Dingen, die man gemeinhin in den Hinterkopf und aus dem Gedächtnis verbannt. Wie die eigene Grabstelle oder das Testament.

Wenn Promis was machen, ist es wohl wichtig

Die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf machten letztes Jahr mit einer über siebenstündigen Reportage auf ProSieben das Thema Pflege in den Mittelpunkt gerückt und setzten es unter dem Hashtag #Nichtselbstverständlich auch auf die Tagesordnung sozialer Netzwerke .

Den Senderangaben zufolge sahen allein über 17 Millionen jüngerer Zuschauer die Sendung „Joko & Klaas gegen ProSieben“, in dem die Fach-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Meike Ista einen Arbeitstag lang mit der Kamera begleitet wurde und viele weitere Pflegende zu Wort kamen.

So simpel die der Sendung zugrunde liegende Idee sein mag, so intensiv wirkte sie: Keine schnellen Schnitte, keine Werbeunterbrechungen: die Zuschauer erlebten den Arbeitsalltag in der Pflege aus der Ich-Perspektive.

Der Frust wächst

Auch die individuellen Aussagen der eingeblendeten Pflegekräfte entwickelten mehr Kraft als jede Statistik. Sie berichteten von ihrem Engagement und ihrer beruflichen Motivation, aber auch von altbekannten und neueren Missständen im Pflegebereich.

Manche von ihnen glauben nach Jahren des Anmahnens und Abwartens nicht mehr an deren Abhilfe. 9.000 ihrer Kollegen haben im Verlauf des letzten Jahres die Konsequenzen gezogen und ihren Pflegeberuf gekündigt.

 

*** Müssen wir uns also künftig selbst pflegen? Teil 2 gibt Auskunft. ***


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Corona to go

Und wieder eine neue Idee im Kampf gegen Corona. Abschaffung der Quarantäne für Kontaktpersonen und deren Reduzierung auf fünf Tage für infizierte Personen. Freitesten? Ach was, kalter Kaffee. Genesende 2.0 haben es drauf, sich selbst zu diagnostizieren. Quarantäne > 5 Tage nur bei schweren, anhaltenden Symptomen. Alles klar?

Django testet heute nicht

Nicht wirklich. Was sind denn schwere Symptome und wo zieht man da eine Grenze? Bislang galten Husten, Niedergeschlagenheit, eine dauerhaft laufende Nase und ein rauer Hals als mögliche Corona-Symptome. Die aber empfindet ja jeder Mensch anders. Während Kollege A auch in der Zeit vor Corona schon beim kleinsten Krächzen zum Arzt lief, schleppt sich Kollegin B seit eh und je mit Grippe zur Arbeit und lästerte über Männerschnupfen.

So also wird es in Zukunft wieder sein. Vorbei die Zeiten, in denen man Corona eine größere Gefahr für die Gesundheit bescheinigte und damit eine größere Bedeutung beimaß als einer Erkältung oder Grippe. Merke: Bei einer Erkältung lässt man sich krank schreiben. Bei Corona geht man einfach wieder arbeiten, wenn man weitgehend symptomfrei bleibt. Schon deshalb, weil man sonst möglicherweise Ärger mit den Vorgesetzten bekommt.

Ein bisschen Spaß muss sein

Lebt euch aus und sorgt euch nicht länger, dies scheint uns die Regierung mit ihrem Radikalschwenk sagen zu wollen. Zumindest der Teil von ihr, der nicht als Minister im Gesundheitsministerium sitzt und weiterhin vor der nächsten Welle mahnt.

Nicht wenige Fachleute warnen vor diesen Wellen und Varianten. Im Herbst erwartet man einen Anstieg der Infektionen, Intensivpatienten und Sterbefälle. Aber bis dahin wird man ja wohl noch seinen Spaß haben dürfen, gerade in Zeiten wie diesen, in denen unklar ist, ob nicht doch noch ein Weltkrieg oder zumindest eine funktionslose Heizung droht.

Gesundheitspolitik? Welche Ges…?

Ist die Abkehr von Tests und Quarantäne die neue Normalität, von der so oft die Rede ist? Oder bloß eine Zwischenepisode im Trauerspiel Gesundheitspolitik, in dem man es innerhalb von 2 Jahren nicht nur versäumt hat, ein funktionierendes Konzept gegen Neuinfektionen zu entwickeln, sondern auch einen Plan B für weitere Lockdowns, die immerhin möglich sind.

Und es außerdem schaffte, einem Teil der ohnehin viel zu wenigen Pflegefachkräfte in Deutschland die letzte Motivation zu nehmen. Durch Hinhaltetaktik, falsch verteilte und eher symbolische Prämien, Ignoranz. Von bis zu 20% Berufsaussteigern ist die Rede, das wahre Ausmaß wird wohl erst mit der Zeit zum Vorschein kommen.

Wohl dem, dem Pflege erspart bleibt.

 

Finde den Fehler

Frage: Wie geht eine Anmache à la Lauterbach? Antwort: „Soll ich dir mal meine Absagen-Sammlung zeigen?“

So, nun ist also die nächste Impfpflicht gescheitert. Zuerst waren es die Deutschen, also gesamt. Lausige Impfquote, die sich totlief. Da halfen irgendwann auch Gratiswürstchen nichts mehr. Für impfverweigernde Senioren hätte man mindestens ein Viertel Schwarzwälder Kirsch und einen Eierlikör drauflegen müssen. Aber das Budget gab das nach den Spahn’schen Maskendeals nicht mehr her.

Dann eben die

Dann waren die Pflegekräfte dran. Die sind eh schlecht auf ihren Gesundheitsminister zu sprechen, da kann man noch eine Schippe drauflegen. Doch nicht sie, sondern ihre Arbeitgeber wehrten sich gegen eine Impfpflicht. Zu groß sei der Personalmangel schon heute, man könne es sich nicht leisten, die Pflegekräfte zu irgendwas zu zwingen. Am Ende machten die noch Ernst und setzten ihre langjährigen Drohungen um, den Job zu wechseln.

Nun also die Senioren. Nicht mal die darf man zwangsweise impfen, obwohl es doch zu ihrem eigenen Schutz wäre. Es ist ein Trauerspiel.

Lauterbach vs. Lauterbach

Man fragt sich, ob Professor Karl Lauterbach selbst noch an den Sinn seiner Hauruckaktionen glaubt. Überall lockert Deutschland seine Regeln, verbrennen Menschen ihre Masken wie seinerzeit die Feministinnen ihre BHs, feiern Discos den Freedom Day mit einem Countdown. Und fordert ein gewisser Minister Karl Lauterbach eine freiwillige Quarantäne, während ein gewisser Minister Karl Lauterbach eine Impfpflicht für irgendwen fordert.

Wer kommt als nächstes dran? Teenager? Raumpfleger? Kinder unter 6 Jahren? Kleintiere? Es ist traurig, dass die eigentlich von den meisten Deutschen als sinnvoll betrachtete Impfung durch immer neue, aussichtslose Vorstöße diskreditiert wird. Der Gesundheitsminister hat es versäumt, die Gefahr gegenwärtig zu halten, die vom Coronavirus ausgeht. Wer immer mehr Lockerungen zulässt und Quarantäne zur freiwilligen Angelegenheit erklärt, sollte niemandem mehr mit Impfpflicht daherkommen, um die Bevölkerung zu schützen.

Der stille Protest

Nein, der Zug ist abgefahren. Alle Chancen sind vertan, die Menschen als Solidargemeinschaft zusammenzuhalten. Viele sind enttäuscht und fühlen sich über den Tisch gezogen. 3-G-Menschen, die doppelt geimpft und geboostert sind, ihre Kontakte verloren haben und selbst mit den eigenen Enkeln mittlerweile nur noch per WhatsApp kommunizieren. Wofür das Ganze, wenn einen künftig Corona-positive Menschen ganz offiziell anhusten und anstecken dürfen?

Es macht Mut, wenn im Supermarkt auch ganz ohne Zwang alle Kunden weiterhin Maske tragen. Ob aus Angst, aus Trotz oder weil es ihnen schlicht nichts ausmacht, sich und alle anderen für eine halbe Stunde etwas besser zu schützen. Es ist ein Zeichen stiller Rebellion gegen eine Politik, die sich in Gesundheits-Anarchie versucht. Die Öl in dasselbe Feuer gießt, das sie mit Fingerhüten voller Wasser zu löschen versucht.

Jetzt mal ehrlich

Vor einem halben Jahr noch schien eine generelle Impfpflicht eine gute Idee zu sein. Inzwischen aber ist sie zur Farce geworden. Zumal sie wesentlich schlechter gegen Infizierungen hilft als beispielsweise eine FFP2-Maske. Die Maskenpflicht aber hat man großzügig abgeschafft. Während Deutschland die höchsten Inzidenzen ever aufweist. Und die freiwillige Quarantäne wäre wohl auch durchgesetzt worden, hätten nicht Krankenkassen und Arbeitgeberverbände ihr Veto eingelegt.

Man sollte im Gesundheitsministerium wenigstens so ehrlich sein, zu kapitulieren. Vor der Wirtschaft, den Querdenkern und all den Menschen, denen die Gesundheit ihrer Mitbürger scheißegal ist. Und nicht so tun, als versuche man tatsächlich, diese zu schützen.

Hü oder hott?

Absurder geht immer. Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) selbst den Vorschlag  zur freiwilligen Isolierung coronainfizierter Menschen unterbreitet hatte, – der von den Gesundheitsministern von Bund und Ländern angenommen wurde -, überlegte er es sich wenige Tage später anders – und zog ihn nun wieder zurück.

„Der Fehler lag bei mir und hat nichts mit der FDP oder Lockerung zu tun“, ließ Lauterbach auf Twitter verlauten. Eigentlich habe er die Gesundheitsämter entlasten wollen, stattdessen sei aber ein „falscher Eindruck“ entstanden.

Ja, wie denn nun?

Nun ist es einerseits löblich, dass ein Minister Fehler einräumt und korrigiert. Man muss sich allerdings die Frage stellen, weshalb zunächst eine Entscheidung gefällt und bekannt gemacht wird – und die Faktenlage erst später geprüft wird. Zumal Karl Lauterbach in Pressekonferenzen stets zu einem vorsichtigen Vorgehen tendiert, wenn es um Lockerung der Corona-Maßnahmen geht.

Schon seit einiger Zeit klafft eine Lücke zwischen der in den Medien verkündeten Meinung des Bundesgesundheitsministers und den Aussagen und Entscheidungen, die sein eigenes Ministerium trifft. Hier der Mahner Lauterbach, der weiterhin vor Wellen und hohen Infektionszahlen warnt, dort der Minister Lauterbach, der keine sichtbaren Anstrengungen unternimmt, dem Geschehen Herr zu werden – beispielsweise durch bundeseinheitliche Regelungen.

KL und die Impfpflicht

Eine Impfpflicht für alle Bürger ist längst vom Tisch. An der für Pflegekräfte hält Lauterbach aber weiterhin fest. Auch sollten sie von der freiwilligen Isolation ausgenommen werden. Als gäbe es außerhalb von Kliniken und Pflegeheimen keine Senioren, Kinder oder Kollegen, die sich infizieren und erkranken können.

Überhaupt fühlen sich die Pflegekräfte, die das Gesundheitssystem seit Jahren stützen, obwohl längst fällige Reformen immer wieder aufgeschoben werden, von Karl Lauterbachs Politik mehr und mehr ausgegrenzt. Dass er für die organisatorische und personelle Misere im Gesundheitswesen mit verantwortlich ist, macht die Sache nicht besser.

Der Zusammenhalt war mal da

Viele Menschen hatten dennoch große Hoffnungen in Lauterbach gesetzt. Seine Ernennung zum Bundesgesundheitsminister setzte ein Zeichen für all diejenigen, die über fast zwei Jahre ihre Kontakte beschränkt, für Senioren eingekauft, Einschränkungen in Kauf genommen, Impfungen absolviert und alle Regeln befolgt hatten. Für die Gemeinschaft. Gegen Corona.

Im Corona-Jahr 1 hielt ein Großteil der Bevölkerung zusammen. Sicher, es gab auch damals schon Querdenker und Lokalpolitiker, die Corona für eine Grippe ausgaben, Verschwörungstheorien entwickelten und ihre Freiheit eher bedroht sahen als ihre Gesundheit. Aber die Stoßrichtung war eindeutig, die Gesundheitspolitik Bundessache und die Außenkommunikation stimmte.

Corona in der Regierung Merkel

Letzteres nicht wegen, sondern eher trotz des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Selbst seine mangelhafte Organisation bei der Schutzmasken-, Test- oder Impfstoffbeschaffung konnte nicht überdecken, dass unter Kanzlerin Angela Merkel das Wohl der Gesundheit aller Bürger im Vordergrund des politischen Handelns stand.

Man mag von Merkel halten, was man will, aber das persönliche Einstehen für ihre Politik hat ihr und vor allem Deutschland in ihrer Amtszeit großen Respekt in der Welt eingebracht. Am Ende aber musste auch sie sich dem Föderalismus beugen, der inzwischen zu 16 gallischen Dörfern in den Grenzen der früheren Bundesrepublik geführt hat.

Corona in der Regierung Scholz

Wofür Kanzler Olaf Scholz steht, ist nicht überliefert. Zum Thema Corona hat er jedenfalls keine klare Meinung. Diese Nichthaltung unterstützt natürlich nicht unbedingt Lauterbachs Gesundheitspolitik, auch wenn beide derselben Partei angehören.

Ein großer Teil der Deutschen hat Angst. Angst vor einer Ansteckung mit Corona, davor, in dem Wirrwarr der Verordnungen etwas falsch zu machen, sich offen über etwas Schönes zu freuen, während nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch Corona weiterhin Tote fordert, Angst vor Fremden, Angst vor Freunden.

Der letzte Funke Hoffnung

Noch immer hoffen diese Menschen auf Karl Lauterbach. Darauf, dass er den Weg aus seiner Kummerecke heraus findet und die Gesundheitspolitik wieder in die Hand nimmt. Die forschen Landesminister in ihre Schranken weist, die im Wahljahr 2022 ihre Chance zur Profilierung sehen. Sie vertrauen Lauterbach, weil er trotz seiner gelegentlich an Schizophrenie grenzenden, auseinander klaffenden Aussagen noch der vernünftigste und umsichtigste Gesundheitspolitiker zu sein scheint.

Die Hoffnung schwindet. Und dürfte im Herbst begraben werden, wenn die nächste große Corona-Welle das Land erschüttert. Hoffen sollten wir trotzdem: Dass wir das Corona-Virus irgendwann besiegen werden. Trotz oder wegen Karl Lauterbachs gegenwärtig verwirrender Gesundheitspolitik.

 

Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 4)

Vorlaufzeit ist übrigens ein gutes Stichwort. Alle Jahre wieder steht Weihnachten als dienstfreie Zeit ganz oben auf der Wunschliste der Mitarbeiter im Schichtbetrieb. Auch wenn deren Bezug zur Kirche schwinden mag: Im Abendland reißt man sich nicht darum, ausgerechnet die Weihnachtsschichten zu übernehmen.

Ironie am Rande: Auch die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeworbenen mexikanischen Kollegen sind in diesem Punkt keine große Hilfe. Denn sie wurden ja gerade wegen ihrer kulturellen Nähe (gemeint ist die Tatsache, dass Mexikaner in der Regel katholisch sind) für das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem gewonnen.

Verschiedene Feiertage können die Kollegialität fördern

Wie schön, wenn sich da einer der neuen, muslimischen Kollegen zum Diensttausch anbietet, weil ihm Heiligabend schnuppe ist. Vielleicht denken seine neuen Kollegen an ihn, wenn sie bei ihren Familien unterm Weihnachtsbaum sitzen. Oder beschenken ihn zum Dank mit Selbstgebackenem. Für manche zwischenmenschlichen Dinge erübrigt sich der Integrationskurs nämlich.

Doch wie steht es um die Kollegialität, wenn besagter Kollege zum Ende des Ramadan seinerseits um einen Diensttausch bittet, um mit seiner Familie und seinen Freunden das Fest des Fastenbrechens zu feiern? Und besagte Schicht mit dem Fernsehabend der Abendländer kollidiert? Leider beißt sich die Toleranz bisweilen an deren Bequemlichkeit die Zähne aus.

Respekt baut Brücken

Gerade das Gesundheits- und Pflegewesen kann aber ohne Mitarbeiter aus dem Ausland nicht mehr aufrechterhalten werden. Dennoch bleiben langjährige und neue Kollegen einander fremd, scheinen für viele Menschen sprachliche, religiöse und kulturelle Unterschiede oft allzu groß zu sein. Und der Fernsehabend zu verlockend.

Im allgemeinen Konsens baut das Respektieren von fremden Religionen und Lebensweisen Brücken zwischen Menschen. Das Berücksichtigen ihrer Gebräuche stellt daher gerade für neue Mitarbeiter aus fernen Ländern und Kulturkreisen einen Bezug zu ihren neuen Kollegen, ihrem Arbeitgeber und dem Land dar, in dem sie künftig zu leben und zu arbeiten beabsichtigen.

Offen für Neues

Keinem Verantwortlichen käme in den Sinn, Weihnachten bei der Erstellung des Dienstplans wie einen normalen Arbeitstag zu behandeln, nur weil er persönlich nicht gläubig ist und dieses Fest nicht begeht. Warum also nicht auch das Zuckerfest mit einplanen, das die türkischstämmige Kollegin gerne im Kreis ihrer Familie verbringen möchte? Wenn sie doch ein gleichberechtigtes Mitglied des Personalstabs ist, sollten nicht nur der Planer, sondern auch die Mitarbeiter daran mitwirken, ihr diesen kleinen Gefallen zu erweisen.

Und bevor nun jemand den Abendländer in sich entdeckt und reklamiert, dass wir uns immer noch in Deutschland befinden, wo deutsche Feste gefeiert werden und so weiter: Erstens sind deutsche Feiertage oftmals gar nicht so urchristlich wie man gemeinhin denkt. (Allerheiligen zum Beispiel basiert auf einem heidnischen Fest.) Und zweitens ist soziales Miteinander – gerade im Kollegenkreis – nirgendwo in Stein gemeißelt. Ein wenig ideologische Flexibilität schadet nicht.

Wer definiert eigentlich einen Männerberuf?

Als Frauen begannen, sich auch in zuvor verpönten oder gar verbotenen Männerberufen auszubilden, pochten ihre männlichen Kollegen auf der „abendländischen Tradition“, Nackte-Frauen-Kalender aufzuhängen und ihr „kleines Geschäft“ weiterhin im Stehen zu verrichten.

Die Kalenderblätter sind weitgehend verschwunden – unter anderem, weil sie bisweilen von frivol abgebildeten Kalenderblatt-Männern unterwandert wurden, welche die neuen Kolleginnen im Sinne der Gleichberechtigung aufhängten. Auch die Toilettenbrille wurde von vielen Männern als neues Feature goutiert. Man stelle sich vor: es gibt sogar eigene Frauentoiletten!

Verändern Frauen in Männerberufen ihr Umfeld?

Die befürchteten Auswirkungen sind ausgeblieben. Es wurde kein Fall bekannt, wonach Männer nach dem Bau von Damentoiletten plötzlich in Frauenkleidung zur Arbeit erschienen. Und erstaunlich wenige Mitarbeiter laufen wegen des neuen Kollegen aus Surinam, dem wir so skeptisch gegenüberstehen,  zum Hinduismus über.

Veränderung und neue Eindrücke sind nämlich eigentlich gar nicht so übel. Charmante und tatkräftige Kolleginnen auch nicht. Oder welche aus dem Ausland und aus einem fremden Kulturkreis. Wenn alle Beteiligten sich nicht nur um Toleranz, sondern auch kulturellen Austausch bemühen, – wer weiß? -, können sich sogar neue Horizonte öffnen. Wie erwähnt, ist Offenheit dabei keine Einbahnstraße.

 

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Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 3)

Jedes Kind freut sich, wenn es beim Schulwechsel ein bekanntes Gesicht unter den Mitschülern entdeckt. Die Vertrautheit sorgt für Sicherheit in dieser ungewohnten Situation. Ebenso ist es für ausländische Mitarbeiter tröstlich, sich nach der Arbeit, möglicherweise aber auch währenddessen in ihrer Heimatsprache austauschen zu können.

Engagiert beispielsweise ein Klinikum gleich mehrere neue Mitarbeiter aus demselben Ursprungsland, werden diese sich vermutlich gerade in der Anfangszeit in Deutschland weniger fremd und verloren fühlen. Ein entscheidender Wohlfühlfaktor für Menschen, deren Familie in der Heimat zurückbleiben musste und die auf einen Neuanfang in Deutschland hoffen.

Teambildung ist wichtig

Das Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt sich leider manchmal in die falsche Richtung. Besteht die halbe Station über Nacht aus bulgarischen, indischen oder eben mexikanischen Hilfskräften, die untereinander ausschließlich in ihrer Landessprache kommunizieren, entsteht beim Stammpersonal ein Gefühl der Überfremdung. Auch dies ist Alltag im Pflegebereich und eine Herausforderung für den Personalverantwortlichen.

Teamzugehörigkeit und ein gutes Betriebsklima sind wichtige Faktoren, wenn es um die Motivation von Mitarbeitern geht. Empfinden diese ihre Tätigkeit als sinnvoll, werden sie von Kollegen und Vorgesetzten wertgeschätzt, erleichtert dies nicht nur das tägliche Miteinander, sondern auch die Organisation des Ausfallmanagements.

Bürokratische Hürden

Doch was, wenn dieses Problem umschifft wurde und der Ausländerbehörde auffällt, dass diese Gruppe ausländischer Mitarbeiter eines Klinikums ihren offiziellen Integrationskurs  noch absolvieren muss?

Dann werden schon mal kurzfristig für alle gleichzeitig Kurstermine angesetzt und den Mitarbeitern Sanktionen bei Nichterscheinen angekündigt. Der Dienstplan wird bei diesem Vorgang ebenso wenig berücksichtigt wie der Urlaub der Betroffenen.

Natürlich ist das Erlernen der Landessprache und –kunde ein fester Bestandteil der Integration. Niemand wird dies ernsthaft bestreiten. Und es ist normal, dass ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde keine Ahnung von der Komplexität einer Dienst- bzw. Schichtplanung im Pflegebereich hat. Ein wenig Vorlaufzeit und Handlungsspielraum – auch für die Personalplaner – wäre allerdings an dieser Stelle wünschenswert.

 

– Bieten unterschiedliche Nationalitäten und Religionen unter KollegInnen nur Zündstoff oder auch Chancen? Der 4. und letzte Teil dieses Artikels rundet das Thema ab. –


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Definitiv unentschlossen

Blickt noch jemand durch?

Ausscheren im Föderalismus

Wo steckt die Regierung?

Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 2)

Das Anwerben von Pflegekräften aus dem Ausland stellt ein weiteres Beispiel für vorausschauende Personalplanung dar. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnet diese Möglichkeit sogar als „unverzichtbar“ bei der Aufgabe, dem steigenden Bedarf an Pflegefachkräften zu begegnen. Und Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reiste bis ins Kosovo und nach Mexiko, um dort Fachkräfte im Pflegebereich zu umwerben.

Hilfe aus dem Ausland

Der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur kooperiert bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern aus dem Ausland mit dem Internationalen Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Personalplaner gehen da direkter vor und knüpfen direkte Kontakte über Netzwerke, arbeiten mit Projektpartnern in den Heimatländern der Interessenten – oder werben diese kurzerhand gleich vor Ort an.

Die Kandidat:innen stammen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern. Osteuropa erfreut sich besonderer Beliebtheit, da sich unter den Bewerber:innen viele Fachkräfte mit Studienabschlüssen finden. Kandidat:innen aus Serbien, dem Kosovo und Albanien, aber auch Ungarn und Rumänien stehen auf der Wunschliste der Recruiter ganz oben.

Anerkennungsverfahren und Arbeitserlaubnis: Ein deutsches Problem

Die Projektpartner vor Ort fungieren als Dienstleister, Ausbilder und Vermittler. In vielen Fällen organisieren sie noch vor dem Wechsel nach Deutschland Sprachkurse und schulen die Fachkräfte, damit diese ihre Fachkenntnisprüfung in Deutschland ablegen können, bevor sie ihre Arbeit im Gesundheits-/Pflegebereich antreten. Die Regel ist dies jedoch nicht.

Allerdings werfen die Zugangsvoraussetzungen der neuen Mitarbeiter:innen so oder so große Probleme auf. Die Anerkennungsverfahren der Ausbildungsabschlüsse dauern zu lange und auch die Erteilung von Arbeitserlaubnissen wird oft durch allzu viel Bürokratie verkompliziert.

Gute Vorbereitung sorgt für schnelle Integration ins Team

Sind diese Hürden erst genommen und haben die neuen Mitarbeiter:innen noch keine vorbereitenden Kurse durch Projektpartner absolviert, beginnt die Anlernphase durch teilweise ohnehin schon überlastetes Personal im Vollzeitmodus.

Vorausschauende Personalentwickler entwickeln bereits im Vorfeld einen Integrationsleitfaden und reden mit dem Stammpersonal überToleranz und Nachsicht. Hier und da hilft auch ein Integrationsbeauftragter bei der Eingliederung ins deutsche Arbeitsleben.

Mehr Hilfe als nötig? Ansichtssache.

Auch organisierte Sprachkurse für die ausländischen Mitarbeiter:innen helfen dabei,  sie in die bestehenden Teams und Arbeitsabläufe zu integrieren. Kein einfaches Unterfangen, welches aber dank der Bemühungen beider Seiten meist gelingt.

Manche Arbeitgeber gehen noch einen Schritt weiter. Sie fühlen sich auch außerhalb des Dienstalltags verantwortlich für ihre neuen Mitarbeiter:innen aus dem Ausland und helfen aktiv. Zum Beispiel, indem sie ihnen beim Eröffnen eines Girokontos oder bei der Wohnungssuche helfen. Gelegentlich mieten Unternehmen sogar Wohnungen an und vermieten diese weiter, weil ihnen bekannt ist, dass viele Wohnungseigentümer vor ausländischen Mietern zurückschrecken.

 

– Viele Menschen haben Angst vor „Überfremdung“, also einem zu hohen Anteil an ausländischen Mitbürgern. Ist dies in der Pflege zu befürchten? Das lesen Sie in Teil 3 dieses Artikels. –


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Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 1)

Es klingt wie ein schlechter Witz: Das deutsche Gesundheitswesen krankt. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft ver.di fehlen an deutschen Kliniken insgesamt etwa 80.000 Pflegefachkräfte. Grund genug für Personalplaner, sich proaktiv um neue Mitarbeiter zu bemühen und mit Anreizen zu locken.

Neben der Bindung von Mitarbeitern ist deren Gewinnung zu einem wichtigen und permanenten Thema bei den Verantwortlichen avanciert, dem viel Zeit und Mühe gewidmet wird. Ressourcen, die eigentlich anderen Aufgaben wie der Dienstplanung zukommen sollten. Doch die Pflegekräfte sind knapp und der Wettbewerb hart.

Ein beinharter Wettbewerb

Zuweilen treibt die Personalnot traurige Blüten. Da parkt dann schon mal ein Transporter vorm Klinikausgang, auf dessen Flanken Stellenangebote im Konkurrenzklinikum offeriert werden. Oder man animiert Mitarbeiter zum Scouten von Talenten und zahlt „Kopfprämien“ für das Abwerben von Pflegekräften.

Aber warum eigentlich? Für viele Pflegebereiche sind personelle Untergrenzen in der Besetzungsplanung definiert. Im klinischen Bereich regelt beispielsweise die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), wie viele Patienten maximal auf eine Pflegekraft entfallen dürfen. Da Kliniken und Pflegeheime eine Vollbelegung im lukrativen Pflegebereich anstreben, sind sie also auf einen gewissen Personalbestand angewiesen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Natürlich existieren auch weniger kontroverse Methoden zur Mitarbeitergewinnung. Vereinzelt bieten Krankenhausträger ihren Mitarbeitern den Erwerb akademischer Pflegequalifikationen an, um deren Wunsch nach beruflicher Weiterbildung zu entsprechen und ihre Motivation zu steigern.

Nachwuchs im Gesundheitswesen ist wichtig

Präsenz auf Jobmessen zu zeigen reicht auch bei der Nachwuchsförderung nicht mehr aus. Kreativität ist gefragt. So laden beispielsweise Bewerberbusse in Fußgängerzonen zu einem unverbindlichen Informationsgespräch zwischen potentiellen Azubis und Mitarbeitern der entsprechenden Klinik ein.

Ein überraschend simples und erfolgreiches Modell: Nicht wenige Interessenten verlassen den Bus mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche. Auch Praktikanten werden über solche Wege für das Unternehmen gewonnen.

 

– Aber genügt das denn? Und woher sollen zusätzliche Pflegekräfte kommen?  Der zweite Teil dieses Beitrags klärt auf. –


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New Work (Teil 4)

In vielen Unternehmen sind solche Modelle längst etabliert. Oftmals nicht ganz freiwillig, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt verlangt nach Veränderung. Ob im IT- oder Pflegebereich, in der Beratung oder im Handwerk: Der Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen und Organisationen dazu, die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Der Pflegenotstand und die New Work

Nun ist es nicht jeder Branche vergönnt, mit Gewinnbeteiligungen um künftige Angestellte zu buhlen. Mitarbeitern im Pflegebereich erscheinen zuweilen selbst milde Formen von New Work wie flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur beruflichen Fortbildung oder flache Hierarchien wie gewagte Zukunftsutopien. Berufliche Perspektivlosigkeit und geringes Einkommen sind hingegen Realität und für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen mitverantwortlich.

Der Mangel an Pflege(fach)kräften wurde in den letzten Jahren zum Dauerthema . Obwohl sie seit Jahren am Limit arbeiten und durch die Corona-Pandemie teilweise dauerüberlastet sind, ist keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sicht. Jede dritte Pflegekraft denkt mittlerweile über einen Jobwechsel nach.

Berufung statt Beruf: Der Grundsatz der New Work

Dabei sind sich Pflegekräfte im Gegensatz zu manch anderen Arbeitnehmern der Tatsache bewusst, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Dieses Wissen reicht zur Mitarbeitergewinnung und –bindung allerdings nicht aus. Entscheidende Faktoren sind der Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen, die Anerkennung der eigenen Arbeit und die Möglichkeit, diese mitzugestalten. Identifikation durch Integration. Oder, anders ausgedrückt: Echte Teilhabe an der Gemeinschaft.

Selbstbestimmtheit ist wichtig, Supervisionen oder die Aussicht auf den Erwerb akademischer Qualifikationen motivieren zusätzlich. Denn auch lebenslanges Lernen zählt zu den Grundprinzipien von New Work. Sie erinnern sich:  Arbeit, die du wirklich, wirklich willst. Die eigenen Qualifikationen optimiert man als Mitarbeiter schon aus eigenem Interesse.

Nur noch fünf Tage bis zum Wochenende

Die in ihren strengen Strukturen erstarrte Erwerbsarbeit der 1970er Jahre, welche Frithjof Bergmann mit einer leichten Erkältung verglich, die man noch bis Freitag aushalte, sollte zum Wohle der Mitarbeiter, aber auch des Unternehmens der Vergangenheit angehören.

Produktivität und Wachstum, jene Schlagworte der Industrialisierung, sind noch immer aktuell. Allerdings werden sie heute mit Motivation und Identifikation in direkten kausalen Zusammenhang gesetzt.

Moderne Unternehmen und Organisationen bauen auf Mitarbeiter, die nicht gezwungenermaßen, sondern gerne zur Arbeit erscheinen. Weil sich ihr Arbeitsumfeld stetig verbessert und die Teamarbeit gefördert wird. Weil sie sich nicht als kleine Rädchen in Getrieben, sondern als mitspracheberechtigten Teil der Unternehmensgemeinschaft empfinden. Und weil ihnen mehr Einfluss auf ihre Tätigkeit sowie Zeit für Familie und Hobbys gewährt wird.

 

– Wie steht eigentlich die deutsche Politik zur New Work?  Der 5. und letzte Teil dieses Beitrags vergleicht die Aussagen der verschiedenen Parteien. –


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Impfpflicht für Pflegekräfte?

Seit Monaten war sie im Gespräch, nun wurde sie beschlossen: Die Impfpflicht für Pflegekräfte.

In der Vergangenheit hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) immer wieder beteuert, eine Impfpflicht schließe er kategorisch aus. War er wirklich davon überzeugt, dass sie keine Wirkung zeigen würde? Oder handelte es sich um eine von vielen wichtigen gesellschaftspolitischen Entscheidungen, die im Wahljahr 2021 vom Kalkül um Wählerstimmen bestimmt wurden?

Nun also doch die Impfpflicht. Nicht für jeden, nein. Wäre ja auch zu einfach und übersichtlich. Die Pflege- und andere Kräfte im Gesundheitswesen sollen es richten. Als nächstes wären dann auch andere Berufszweige dran, deren Angehörige mit vielen Menschen in Kontakt kommen. Lehrer zum Beispiel. Doch die sind ohnehin fast durchgängig geimpft. Blöde Sache. Dann vielleicht ErzieherInnen?

Wisst ihr mehr als wir?

Um es vorweg zu nehmen: Eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufe halte ich persönlich für das falsche Signal. Entweder hilft die Impfpflicht beim Kampf gegen Corona, – dann sollten alle mitmachen -, oder sie tut es nicht. Apropos Signale: wenn wir pflegebedürftige Senioren und geschwächte Patienten impfen, sich Pflegekräfte und Ärzte aber zieren, fragt man sich natürlich, welches Mehrwissen sie als Fachleute im Gesundheitswesen haben mögen.

Der Großteil der Bevölkerung versucht seit fast 2 Jahren, den Pflegekräften den Rücken frei zu halten, indem er sich und andere schützt – unter anderem mit einer Impfung. Dass ausgerechnet diese Pflegekräfte in Kauf nehmen, selbst zum Intensivpatienten zu werden und die ohnehin knappen personellen Ressourcen in Anspruch zu nehmen, ist ein merkwürdiges Signal.

Alternativen und Prioritäten

Natürlich ist mir bewusst, dass Pflegekräfte auch nur Menschen sind und den nicht in Langzeitstudien getesteten Impfstoffen skeptisch gegenüberstehen. Das tun die meisten von uns. Aber was ist die derzeitige Alternative? Nach 2 Jahren des Herumprobierens mit Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Masken, Tests…?

Als (gesellschafts-)kritischer Autor setze ich mich gerne für Pflegekräfte ein und erinnere an die (eigentlich längst bekannten) Missstände in ihrer Branche. Aber wenn nun Pflegekräfte kündigen, weil sie sich zu etwas gezwungen sehen, was viele in der Gesellschaft als selbstverständlich betrachten, – auch um sie zu entlasten -, muss ich mich schon fragen, ob sie ihre Prioritäten richtig setzen.

Wenn schon Nein, dann zu den richtigen Fragen

Es gibt sicher viele Gründe, seinen Pflegeberuf an den Nagel zu hängen: Die Arbeitszeiten, Stress, schlechte Bezahlung, ein mieser Dienstplan und so weiter. Und es gibt viele Pflegekräfte, die sich neben ihrer anstrengenden Arbeit bemühen, darauf aufmerksam zu machen und für Abhilfe zu kämpfen.

Die Gesellschaft interessiert das! Aber sie versteht nicht, wieso wir selbst unsere Kinder impfen lassen, wenn auf der anderen Seite Pflegekräfte sagen: „Nö, macht das mal alleine!“

Das Nein zum falschen Thema

Nun ist es beschlossene Sache: Mitarbeitende im Gesundheitswesen – betroffen sind vor allem diejenigen in Kliniken und Pflegeheimen – müssen ab März 2022 einen vollständigen Impfschutz oder eine Gesung nachweisen. 571 der 689 Abgeordneten des Bundestages stimmten für das Gesetz der Ampel-Koalition, nur 80 dagegen.

In vielen Foren wird bereits seit Wochen über das Thema diskutiert, meist sehr emotionsgeladen. Auch ich habe mich daran beteiligt, allerdings ohne große Hoffnung, dass sich hier ein Kompromiss erzielen lässt. Wie überall in Deutschland, sind die Lager auch und gerade im Gesundheitsbereich extrem gespalten, wenn es ums Impfen geht.

Die Einen sind längst geimpft und sehen in impfkritischen Pflegekräften eine – wenn nicht die – Ursache für hohe Infektionszahlen und verschärfte Corona-Regeln. Die Anderen sehen sich bevormundet, beharren auf ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit und schieben als Grund ihrer ablehnenden Haltung die Skepsis vor den nicht ausreichend getesteten Impfstoffen vor.

Impfverweigerung als Form des Protests?

In Wahrheit geht es noch um etwas ganz Anderes: Pflegekräfte durchleiden seit Jahren eine Durststrecke. Der deutsche Pflegenotstand ist bereits legendär wie das Ozonloch und erscheint folgerichtig mit zunehmender Dauer und Ignoranz seitens aller gängigen politischen Parteien unlösbarer als sein Bruder, der Klimanotstand.

Mitarbeitende im Gesundheitswesen haben es satt, von der Politik und der Gesellschaft mit immer neuen Forderungen belegt zu werden, ohne für deren Erfüllung eine Gegenleistung zu erhalten. Höhere Löhne etwa oder mehr Planstellen, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und einiges mehr, was in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufgeschoben wurde.

Lange schon warten sie auf ein Zeichen der Anerkennung und des Umbruchs. Die seitens der Politik auf den Weg gebrachte Impfpflicht für Mitarbeitende im Gesundheitswesen untermauert das Dilemma: Einerseits achtet man sie für ihre wertvolle, stressige und obendrein schlechtbezahlte Arbeit, andererseits würde eine Linderung ihres Elends halt Geld kosten. Viel Geld.

Nein zum Nein

Und so sagen viele Pflegekräfte nun mal Nein. Ob aus Überzeugung oder Trotz: Dieses Nein kommt zur falschen Zeit und zum falschen Thema. Große Teile der Gesellschaft würden sie sogar bei einem Arbeitskampf unterstützen, der einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen dient. Aber nicht beim Thema Impfung.

Diesmal wird Ihnen die Gesellschaft ihre Sympathien vorenthalten. Zu unverständlich erscheint es einem geboosterten Senioren, dass sein Pfleger sich einer Erstimpfung verweigert. Während seine Kinder und Enkelkinder ihn in Zukunft womöglich nur noch vollständig geimpft besuchen dürfen und deren Impfstatus von ebenjenem Pfleger kontrolliert wird.

Die beschlossene Impfpflicht wird etwas bewirken, so oder so. Viele Pflegekräfte drohen mit Kündigung. Nicht wegen der schwierigen Arbeitsverhältnisse oder der Weigerung aller Volksparteien, etwas an diesen zu ändern, zumindest mittelfristig. Nein. Den Stress und den Schichtbetrieb können sie inzwischen ertragen. Eine Impfpflicht nicht.