eAU: Nicht so einfach wie geplant

Die eAU soll eigentlich Ärzte wie Arbeitgeber entlasten. Noch hat sie aber ihre Tücken. Sie gilt nämlich nicht für alle Arbeitnehmer. Auch nicht für alle Krankenkassen. Schon gar nicht für alle Arten der Arbeitsunfähigkeit. Und genau hier beginnen die Probleme.

Sie entstehen auch durch unklare Zuständigkeiten und zu lange Übermittlungszeiten zwischen Arztpraxis, Krankenhaus, Krankenkasse und Arbeitgeber und münden vielerorts in einen nicht unerheblichen, bürokratischen Mehraufwand.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass eine umfassende Nachbesserung bei der eAU benötigt wird, um die angestrebten Erleichterungen für die Beteiligten zumindest langfristig ermöglichen zu können.

Lesen Sie nachfolgend, wie das System eAU funktioniert – und weshalb nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch manche Kliniken dieses derzeit noch mit alternativen Lösungen umgehen.

Geht nun alles digital oder wie?

Wer in der Vergangenheit im Zuge eines Arztbesuchs oder eines Krankenhausaufenthalts für arbeitsunfähig erklärt wurde, musste selbst dafür Sorge tragen, dass die Durchschläge der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Arbeitgeber und zur Krankenkasse verschickt oder dort abgegeben werden.

Der Gang zur Post soll dem Erkrankten durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) erspart bleiben. Und zugleich die lückenlose Dokumentation der Krankheitszeiten bei den Krankenkassen gewährleisten. Ein Vorhaben, das bislang nur unzureichend umgesetzt wird. Doch dazu später mehr. Zum 1. Januar 2023 wurde das Verfahren flächendeckend eingeführt.

Wie aber funktioniert die eAU?

Schritt für Schritt zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Wir erklären den Ablauf vom erkrankten Mitarbeiter bis zum Eingang der eAU beim Arbeitgeber. Beginnen wir mit dem Mitarbeiter:

1. Der Mitarbeiter

Am Anfang steht nach wie vor die Krankmeldung beim Arbeitgeber, genauer: die unverzügliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit (AU) und deren voraussichtliche Dauer. Sie erfolgt üblicherweise telefonisch oder per Mail.

Lässt sich der Erkrankte ärztlich untersuchen, wird eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) durch die Arztpraxis erstellt. Gegenwärtig erhält der Erkrankte außerdem noch einen Ausdruck der AU-Daten für sich selbst, um im Falle einer Störung bei der Übermittlung der eAU das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entgeltfortzahlung nachweisen zu können.

Er informiert seinen Arbeitgeber telefonisch über die Dauer der Krankschreibung.

2. Die Arztpraxis/Klinik und die Krankenkasse

Mit Hilfe seines elektronischen Arztausweises signiert der ausstellende Arzt die eAU. Die Praxis übermittelt die AU-Daten über die Telematikinfrastruktur spätestens bis 24:00 Uhr an die zuständige Krankenkasse des Mitarbeiters.

Im Fall eines Krankenhausaufenthaltes sendet die Klinik die Aufenthalts- und Entlassungsdaten an die Krankenkasse.

Die Krankenkasse wiederum stellt die übermittelte eAU auf ihrem Kommunikationsserver zum Abruf durch den Arbeitgeber bereit.

Hinweis: In der Regel ist der Abruf bei der Krankenkasse erst nach Ablauf der Attestpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) möglich, also ab dem vierten Tag der Erkrankung.

3. Der Arbeitgeber

Nun ist der Arbeitgeber oder dessen Beauftragter (beispielsweise eine Steuerkanzlei) an der Reihe: Er sendet über den Kommunikationsserver der Krankenkasse eine Anfrage nach der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Grundlage sind die Eckdaten der durch den Mitarbeiter erfolgten AU-Anzeige (Name des Mitarbeiters, Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit etc.). Dieser Vorgang ist weitgehend identisch mit der bereits vor der eAU gängigen Praxis (Abruf der Vorerkrankungen und deren Anrechnung auf die angefragte Arbeitsunfähigkeit).

Die abgerufene eAU wird anschließend in die Software des Arbeitgebers eingespielt und abgeglichen.

Und welche Daten beinhaltet die eAU nun?

Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) enthält:

  • den Namen des Beschäftigten,
  • den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
  • die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
  • die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem (Arbeits-)Unfall oder dessen Folgen beruht.

Wie kann die eAU bei der Krankenkasse abgerufen werden?

Die Anfrage erfolgt über ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungsprogramm oder eine elektronisch gestützte, systemgeprüfte Ausfüllhilfe wie beispielsweise sv.net, die über die Informationstechnische Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG) zur Verfügung gestellt wird.

Was, wenn die Datenübertragung gestört ist?

Sollte der Versand der eAU an die Krankenkasse mal nicht funktionieren, – etwa weil vorübergehend keine Internetverbindung besteht –, speichert das Praxisverwaltungssystem (PVS) oder das Krankenhaus-Informationssystem (KIS) die AU-Daten und versendet die eAU erneut, sobald dies wieder möglich ist.

Alternativ stellt die Praxis beziehungsweise das Krankenhaus dem erkrankten Arbeitnehmer ein eAU-Ersatzdokument aus und schickt diese Papierbescheinigung anschließend an die Krankenkasse.

Diese scannt den Ausdruck und stellt die eAU zum Abruf durch den Arbeitgeber auf ihrem Kommunikationsserver bereit. Auch aufgrund der postalischen Übertragung muss bei diesem Vorgang jedoch mit einer mindestens zweitägigen Verzögerung der Abrufbarkeit gerechnet werden.

Ganz wichtig für Arztpraxen:

Geht binnen 24 Stunden nach der Übermittlung der eAU keine Fehlermeldung der Krankenkasse ein, gilt die eAU als erfolgreich zugestellt. Zwar besteht die Möglichkeit, eine Zustellungsbestätigung der Krankenkasse anzufordern, hierzu ist sie jedoch nicht verpflichtet. Eine Stornierung der eAU ist innerhalb von fünf Werktagen nach Ausstellung über eine eigene, signierte „KIM-Nachricht“ möglich.

Ist die eAU denn bei allen Ärzten und für alle Versicherte abrufbar?

Nein. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist nur für gesetzlich Versicherte abrufbar, die vom Vertragsarzt oder -zahnarzt arbeitsunfähig geschrieben wurden. Außerdem bei Arbeitsunfällen und einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus.

Nicht abrufbar sind eAU von Privatärzten oder Ärzten im Ausland (z. B. bei Erkrankung im Urlaub). Ferner Bescheinigungen zu privat krankenversicherten Personen, zur Erkrankung des eigenen Kindes, zu Rehabilitationsleistungen, für die stufenweise Wiedereingliederung und zu Beschäftigungsverboten.

Minijobber und die eAU

Auch für gesetzlich krankenversicherte Minijobber (inklusive Rentner oder Werkstudenten) kann eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) abgerufen werden. Ist dem Arbeitgeber deren Krankenkasse nicht bekannt, sollte er sie erfragen und im Lohn- und Gehaltssystem vermerken. Gleiches gilt für eine Familienversicherung über den Ehepartner oder die Eltern. Bislang war dies nicht vorgeschrieben.

Von der eAU ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte (Minijobber), die in einem Privathaushalt arbeiten oder privat versichert sind. Sie legen wie gewohnt ihrem Arbeitgeber die vom Arzt ausgehändigte Papierbescheinigung vor.

Wie funktioniert die eAU bisher?

Die Unternehmensverbände beklagen die Unterscheidung zwischen Kassen- und Privatpatienten, die zu einem bürokratischen Mehraufwand, einem Chaos der Zuständigkeiten und zu Doppelstrukturen in der Buchhaltung führe.

In manchen Unternehmen werde die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst nach drei Arbeitstagen benötigt – und könne in der Regel erst nach fünf Tagen elektronisch abgerufen werden.

Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), sieht darin eine „unkalkulierbare zusätzliche Belastung“ der Personalabteilungen durch Rückrechnungen.

Tipp: Falls ein so zeitnaher Abgleich nicht nötig ist, empfiehlt sich ein wöchentlicher Abruf der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) bei den Krankenkassen. Für die Dienst- und Ausfallplanung ist sie ohnehin schlecht geeignet. Daher sollten erkrankte Mitarbeiter die Personalabteilung bereits nach dem Attestieren ihrer Arbeitsunfähigkeit über deren Dauer informieren.

Überhaupt dürften Rechnen und Nachhaken zu festen Bestandteilen der eAU zählen. Denn für ihren Abruf müssen seitens der Personalabteilung die exakten Daten der Krankmeldung angegeben werden. Kollidieren sie mit denen der eAU, kann dies zu Fehlermeldungen führen. Auch müssen nicht selten mehrere Anfragen gestellt werden, da der Zeitpunkt für die Bereitstellung der eAU nur geschätzt werden kann und keine Benachrichtigung durch die Krankenkasse erfolgt.

Übrigens: Das Kinderkrankengeld bleibt beim neuen System gänzlich außen vor. Meldet sich ein Mitarbeiter kindkrank, erfolgt keine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. In diesem Fall wird die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters weiterhin über den „gelben Schein“ nachgewiesen, der von ihm per Post an Arbeitgeber und Krankenkasse verschickt werden muss.

Die schleichende Digitalisierung

Ein Wort, das im Zusammenhang mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oft fällt, ist Digitalisierung. Genauer: Deren Mangel. Die Digitalisierung werde im Zusammenhang mit der eAU arbeitgeberseitig zwar begrüßt, aber nicht immer gelebt.

Vor allem kleinere Unternehmen seien oftmals technisch und organisatorisch noch nicht auf die Umstellung zur eAU vorbereitet. Ihre Personalabteilungen bestünden deshalb bei Krankmeldungen weiterhin auf einer Papierbescheinigung. Für die Arztpraxen, die eigentlich entlastet werden sollen, bedeute das mehr statt weniger Aufwand.

Doch nicht nur die Arbeitgeber tun sich teilweise schwer mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Schon ist davon zu hören, dass auch manche Kliniken übergangsweise das Ersatzverfahren mit Ausdruck der AU bemühen, weil das Ausstellen der elektronischen Variante „zu lange dauere“ und „die Abläufe störe“.

Kein Wunder, dass aus Reihen der Politik bereits eine Nachbesserung bei der eAU gefordert wird, etwa eine Anbindung der privaten Krankenkassen an das System oder eine automatische Übermittlung durch die Krankenkassen an die Arbeitgeber. Aus der Holschuld der Arbeitgeber würde so eine Bringschuld der Krankenkassen, der erforderliche Mehraufwand würde auf sie verlagert.

Ob das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Digitalgesetz als Beschleuniger der Prozesse wirken kann, bleibt abzuwarten. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Startschwierigkeiten bewältigt sind und die eAU von allen Beteiligten gleichermaßen akzeptiert wird.