PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen

Das Pflegestärkungsgesetz und die PeBeM

Ab dem 1. Juli 2023 gibt ein neues, bundeseinheitliches Verfahren die Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen vor: Die PeBeM.

Bislang wichen die Personalrichtwerte und Regelungen der Bundesländer voneinander ab, das einzige verbindende Element bestand in einer pauschalen Pflegefachkraftquote von 50 Prozent.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sah allerdings die „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI“ vor.

Mit dieser Aufgabe wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen betraut. Dankenswerterweise setzte sich frühzeitig die Kurzbezeichnung PeBeM durch.

Professor Rothgangs Team sammelte zunächst im Rahmen einer Studie Daten aus 62 Pflegeeinrichtungen. Auf Grundlage der folgenden Auswertungen wurde ein Algorithmus entwickelt, der die zur Betreuung innerhalb einer Einrichtung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation errechnet.

Ergebnisse der Rothgang-Studie

Die Ergebnisse der Studie und die daraus resultierenden Erkenntnisse und Maßnahmen haben wir für Sie im Zwillingsartikel PebeM: Neues zur Altenpflege zusammengefasst. Er nennt auch konkrete Zahlen zu dem anhand der Studienergebnisse errechneten, personellen Mehrbedarf in der (Alten-)Pflege.

Wie aber funktioniert die PeBeM?

Für die PeBeM wurden gesammelte Daten ausgewertet und daraufhin ein Algorithmus entwickelt.

Die PeBeM basiert auf je zwei quantitativen wie qualitativen Faktoren, die sich auf die Bewohner einerseits (Case-Mix) und die Pflegekräfte andererseits (Care-Mix) beziehen und aufeinander abgestimmt werden, um die Pflegezeiten und den Personalbedarf zu errechnen.

Auf diese Weise orientiert sich der Fachkräfteeinsatz stets am individuellen Pflegegradmix der Einrichtung. Bei einem hohen Anteil an Bewohnern mit Pflegegrad 4 oder 5 etwa – und dem damit verbundenen, hohen Pflegeaufwand – werden besonders viele Pflegefachkräfte garantiert.

Der Case-Mix

Der Case-Mix bezeichnet den Pflegebedarf der Bewohner. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Anzahl der Bewohner und
  •     Pflegegrad der Bewohner der Einrichtung.

Dem Case-Mix werden die Qualifikationen und die Wochenarbeitsstunden der Pflegekräfte gegenübergestellt (Care-Mix).

Der Care-Mix

Der Care-Mix bezeichnet die zur Verfügung stehenden Pflegeressourcen. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Vollzeitäquivalent und
  •     Qualifikationsstufe der Pflegekräfte.

Das Vollzeitäquivalent: Gradmesser für die Stundenzahl der Pflegekräfte

Ein Schlüsselbegriff beim Care-Mix ist das so genannte Vollzeitäquivalent. Diese Bezugsgröße entspricht der Wochenarbeitszeit einer Vollzeitpflegekraft und ist ungefähr das, was bei der Bruchrechnung der gemeinsame Nenner ist.

Da in stationären Einrichtungen oftmals viele Teilzeitkräfte mit verschiedensten Arbeitszeitmodellen beschäftigt sind, müssen deren Arbeitszeiten zunächst auf das entsprechende Vollzeitäquivalent umgerechnet werden.

Arbeitet eine Vollzeitkraft innerhalb einer Einrichtung zum Beispiel 40 Stunden pro Woche, entspricht dies einem Vollzeitäquivalent. Ein Mitarbeiter in 20%-Teilzeit und einer entsprechenden Wochenarbeitszeit von 8 Stunden kommt folglich auf ein Vollzeitäquivalent von 0,2.

Bliebe es bei diesen beiden Pflegekräften, hielte die Pflegeeinrichtung also 1,2 Vollzeitäquivalente zur Betreuung bereit.

Qualifikationsstufen: Ausbildungsgrad der Pflegekräfte

Zweite Bezugsgröße für den optimalen Care-Mix ist die Qualifikation der Pflegekräfte. Sie wird in vier Qualifikationsniveaus (QN) und drei Qualifikationsstufen unterteilt:

Qualifikationsstufe 1

QN 1: Personen ohne Ausbildung, nach 4 Monaten angeleiteter Tätigkeit

QN 2 (Pflege): Personen ohne Ausbildung mit einem 2-6monatigen Pflegebasiskurs und 1-jähriger angeleiteter Tätigkeit; QN 2 (Betreuung): Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI und § 53c SGB XI

Qualifikationsstufe 2

QN 3: Pflegeassistenzkräfte mit 1- oder 2-jähriger Ausbildung

Qualifikationsstufe 3

QN 4: Pflegefachpersonen/-kräfte mit 3-jähriger Ausbildung

PeBeM und Mindestpersonalvorgaben der Länder: Was gilt denn nun?

Mithilfe der PeBeM kann der individuelle Personalbedarf je Einrichtung rechnerisch exakt ermittelt werden. Wichtig: Die Personalschlüssel je Pflegegrad stellen künftig lediglich eine bundeseinheitliche Höchstgrenze dar, die durch die Pflegesatzvereinbarungen abgedeckt wird. Die Mindestpersonalaustattung in Einrichtungen wird weiterhin durch die Personalrichtwerte des jeweiligen Bundeslandes bestimmt.

Wie erfolgt die Zuordnung?

Die Vollzeitäquivalente und Qualifikationsstufen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) unter § 113c SGB XI der „Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ den einzelnen Pflegegraden zugeordnet. So werden beispielsweise für einen Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 folgende Personalanhaltswerte vorgegeben (komplette Tabelle nachstehend):

  •     Hilfskraft ohne Ausbildung (Qualifikationsstufe 1): 0,1758 Vollzeitäquivalente
  •     Hilfskraft mit Helfer- oder Assistenzausbildung von mindestens einem Jahr(Qualifikationsstufe 1): 0,1102 Vollzeitäquivalente
  •     Fachkraft (Qualifikationsstufe 3): 0,3842 Vollzeitäquivalente

 

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,0770 –        Pflegegrad 1

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1037 –  Pflegegrad 2

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1551 – Pflegegrad 3

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,2463 – Pflegegrad 4

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,3842 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0564 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0675 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1074 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1413 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1102 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,0872 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1202 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1449 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1627 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1758 – Pflegegrad 5

 

Quelle: § 113c Sozialgesetzbuch (SGB XI)

 

Eine höhere personelle Ausstattung ist möglich, aber nur unter bestimmten Umständen wirtschaftlich sinnvoll. Zum Beispiel, wenn sie in der bestehenden Pflegesatzvereinbarung festgehalten wurde oder die Einrichtung ihr Ausfallmanagement über einen Personalpool reguliert.

So oder so müssen aber in der Altenpflege zunächst ausreichend Pflegefachkräfte zur Verfügung stehen. Der Berufsstand benötigt ebenso eine Aufwertung wie die Ausbildungsbedingungen. Hierüber erfahren Sie mehr in meinem zweiten Blog-Beitrag zur PeBeM: Neues zur Altenpflege.

PeBeM: Neues zur Altenpflege

Ziel der Personalbemessung in der Pflege (PeBeM)

Ab 1. Juli 2023 trat die Vorgabe zur Personalbemessung in der Pflege (PeBeM) in Kraft. Ihr Ziel: Die knappen Ressourcen in der vollstationären Altenpflege sollen möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden. Deshalb definiert die PeBeM auch – anders als etwa die PpUGV in der Fachkrankenpflege – keine personellen Untergrenzen, sondern orientiert sich an den Pflegesatzvereinbarungen, deren Bemessungsgrundsätze im Sozialgesetzbuch festgehalten sind. Vorgaben zur Mindestpersonalausstattung gibt es aber auch – mehr dazu gleich im Anschluss.

Wen betrifft die PeBeM?

Die PeBeM betrifft lediglich vollstationäre Einrichtungen der Langzeitpflege. Hiervon ist besonders die Altenpflege betroffen, die den Großteil der stationären Einrichtungen ausmacht.

Im teilstationären Bereich müssen ein geringerer Anteil an Fachkraftaufgaben und Überschneidungen mit der ambulanten Pflege und dem betreuten Wohnen beachtet werden. Daher wurde von der Einführung der PeBeM als einheitliches Instrument zur Personalbemessung abgesehen.

Auch auf die ambulante Pflege ist die PeBeM nicht anwendbar, weil die durch Pflegebedürftige und deren Angehörige in Anspruch genommenen Hilfen nicht objektiv bewertet werden können.

Ermittlung des individuellen Pflegepersonalbedarfs

Die Pflegeeinrichtungen errechnen ihren individuellen Personalbedarf aufgrund der PeBeM-Kennzahlen und gleichen ihn mit den vorhandenen Ressourcen ab. Liegt eine qualitative oder quantitative Unterdeckung vor, – laut einschlägigen Studien ist die Wahrscheinlichkeit groß –, muss nachgebessert werden.

Da eine entsprechende Personalentwicklung viel Zeit in Anspruch nimmt, gilt für die tatsächliche Umsetzung der PeBeM in den Einrichtungen ein Übergangszeitraum bis 2025.

Eine bundeseinheitliche Regelung zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs existierte vor der PeBeM nicht. Stattdessen schrieb eine Fachkraftquote von 50% pauschal den Anteil der Pflegefachkräfte im Personalbestand fest.

In Altenheimen herrscht ein individueller Pflegepersonalbedarf

Außerdem definierten die einzelnen Bundesländer voneinander abweichende Personalrichtwerte, welche die Anzahl an Heimbewohnern und Pflegekräften ohne Berücksichtigung des Pflegeaufwands gegenüberstellten. Weitere landesbezogene Unterschiede erschwerten eine vereinheitlichende Regelung. Obwohl die landeseigenen Richtwerte zum Teil stark voneinander abweichen, bleiben Sie auch der vollstationären Pflege als Mindestpersonalausstattung erhalten.

Blog-Artikel PeBeM 2023: Wie geht sie eigentlich?

Wie aber werden diese Mindestpersonalausstattung und die optimale Personalausstattung gemäß PeBeM errechnet? Auf welchen Personalkennzahlen basiert letztere? Und wo liegt der Unterschied? Diese und weitere Fragen beantwortet Ihnen mein zweiter Blog-Beitrag PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen.

Die Ursprünge der PeBeM

Zwar wurden in der Vergangenheit mehrere Versuche unternommen, ein Verfahren zur Vereinheitlichung einzusetzen. Bereits bei Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 stand die Personalbemessung von Pflegeheimen zur Debatte.

Allerdings scheiterten alle bisherigen Ansätze – auch deshalb, weil stets die Belastung der Pflegekräfte und die Pflegekosten im Mittelpunkt standen, nicht aber die Qualität der Pflege.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sollte Abhilfe schaffen. Es hat grundlegende Veränderungen und Verbesserungen im Pflegesystem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zum Inhalt.

Unter anderem schrieb es verbindlich die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Personalbemessung vor, das die knappen Personalressourcen optimal zu verteilen vermag. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen mit dieser Aufgabe betraut.

Rückschau: Gescheiterte Modellverfahren zur Pflegebedarfsermittlung

Schon 1996 wurde das Standard-Pflegesatz-Modell (SPM) ersonnen. Aufgrund massiver Kritik wegen inhaltlicher Fehler – unter anderem bei der Berechnung der Stundensätze und Zuschläge – wurde das Modell ebenso wie das in Kanada entwickelte PLAISIR-Verfahren wieder verworfen. Allerdings lieferte das SPM wertvolle Erkenntnisse, die in die Entwicklung von Prof. Rothgangs Bemessungsverfahren einflossen. Unter anderem die, dass die Jahresnettoarbeitszeit nicht als fixe Größe, sondern als variabler Parameter eingebaut werden sollte.

Der Algorithmus und die Erkenntnisse der Rothgang-Studie

Sein Team wertete zunächst im Rahmen einer Studie große Mengen von Daten aus, die in 62 Pflegeeinrichtungen gesammelt worden waren, etwa die Anzahl der Bewohner und Betreuungspersonen sowie die erfolgten Interventionen (pflegerische Aktivitäten). Auf deren Grundlage wurde ein Algorithmus entwickelt, der anhand der Anzahl und des Pflegegrades der Heimbewohner exakt die zur Betreuung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation (QN) errechnet.

Diese Soll-Zahlen wurden innerhalb der Studie mit dem Ist-Zustand in den untersuchten Einrichtungen abgeglichen. Das ernüchternde, wenngleich kaum überraschende Ergebnis: Dort herrscht ein gewaltiger personeller Mehrbedarf. Um eine gute Versorgung gemäß PeBeM gewährleisten zu können, müssten die Einrichtungen ihr Personal um satte 36% aufstocken.

Der Personalbestand innerhalb der Einrichtungen wurde mit den Soll-Zahlen abgeglichen.

Die Nachtwache bleibt außen vor

Nicht nur die ambulante und teilstationäre Versorgung ist von der PeBeM ausgeklammert, sondern auch eine einheitliche Regelung zur Personalbesetzung im Nachtdienst. Diese ist nämlich ebenfalls Ländersache – mit „teils katastrophalen und gesundheitsgefährdenden Folgen“ (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest). Nur in vier Bundesländern existierten demnach konkrete Vorgaben für die Besetzung mit Pflegefachpersonen in den Nachtstunden.

Raritäten in der Altenpflege: Assistenzkräfte

Der personelle Ressourcenmangel machte sich während der durchgeführten Studie unter anderem dadurch bemerkbar, dass notwendige Interventionen oder Teilschritte wie das Desinfizieren der Hände aus Zeitmangel nicht durchgeführt wurden.

Besonders hoch ist mit 69% der Mehrbedarf bei den Pflegeassistenzkräften. Das hängt maßgeblich damit zusammen, dass sie ebenso wie ungelernte Hilfskräfte nicht zu den Fachkräften zählen und beispielsweise keine Medikamente ausgeben dürfen. Logischerweise wurden die vergleichsweise teure Assistenzkräfte in den letzten Jahren kaum eingestellt.

Die PeBeM bedenkt sie nun mit einer eigenen Qualifikationsstufe (QN 3) und wertet ihre Tätigkeit somit gegenüber den ungelernten Pflegehilfskräften auf.

Der Schlüssel zu einer verbesserten Pflege liege neben der reinen Personalmengensteigerung vor allem in der Organisations- und Personalentwicklung, so Rothgang. Da sich viele erfahrene, jedoch nur mit QN 1 eingestuften Pflegehilfskräfte aufgrund der genannten Problematik die Ausbildung zum einjährigen Pflegeassistenten (QN 3) erspart hatten, müssen die Pflegeeinrichtungen sie nun aktiv dazu anhalten, diese Qualifizierung doch noch zu durchlaufen.

Rollenspiel: Delegieren für Anfänger

Qualifizierte Fachkräfte wiederum wandten im Untersuchungszeitraum einen großen Teil ihrer sogenannten Fachkraftzeit für Interventionen im falschen QN auf, die auch geringer qualifizierte Helfer hätten ausführen können. Die Methode „Jeder macht alles“ müsse künftig – nicht nur in der Altenpflege – durch eine kompetenzorientierte Pflege ersetzt und die Rolle von Pflegefachkräften und deren Aufgaben wie Planung, Anleitung, Beaufsichtigung, Evaluation und Delegation klarer definiert werden.

Ein Umdenken ist erforderlich. Die Pflegefach- und Assistenzkräfte sollten nach Professor Rothgangs Meinung zunächst ihre neuen Rollen annehmen und manche Aufgaben an Hilfskräfte abgeben. Darüber hinaus müssten alle Pflegekräfte wieder lernen, ohne Hetze zu arbeiten. Ob das beim vorherrschenden Personalmangel – laut der Studie besteht in der Pflege ein Mehrbedarf von über 100.000 Vollzeitäquivalenten – ein machbares Ziel ist?

Um schrittweise zusätzliches Pflegepersonal gewinnen zu können, wurden seit Beginn 2021 durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer ersten Personalausbaustufe 20.000 zusätzliche Stellen für Assistenzkräfte von der Pflegeversicherung finanziert. Ab Juli 2023 folgen Stufe 2 und ab 2025 mögliche weitere Ausbaustufen. Ein früheres Stellenprogramm mit 13.000 Stellen für Pflegefachpersonen läuft bereits seit Anfang 2019.

Das klingt nach einem Plan. Zumindest so lange, bis man den Soll-Zahlen den Istbestand gegenüberstellt. Denn bei den Pflegefachkräften wurden im Jahr 2019 lediglich rund 4.000 sogenannte Kopfstellen finanziert und damit 2.800 Vollzeitäquivalente geschaffen. Außerdem wurden 2021 nur etwa 4.400 Stellen für Pflegehilfskräfte bewilligt.

Verbesserung der Ausbildungsbedingungen

Neueinstellungen und organisatorische Änderungen sind immerhin ein Anfang. Allerdings sei aber auch die Schaffung adäquater Ausbildungsstrukturen eminent wichtig, so Rothgang weiter.

Bereits vor Jahren beklagte der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e. V. (BLGS) einen deutlichen Lehrermangel in der Pflege und eine zunehmende Verschlechterung in der Qualität der Ausbildung. Er forderte daher einen „Hochschulpakt Pflegebildung“, der beispielsweise unbefristete Stellen für Lehrbeauftragte und dauerhaft ausfinanzierte Studienplätze beinhalten sollte.

Um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz zu unterstützen, starteten das Bundesfamilien-, das Bundesgesundheits- und das Bundesarbeitsministerium bereits 2019 die „Ausbildungsoffensive Pflege“.

Eines der Ziele: Werbung für eine Ausbildung in der Pflege. Außerdem sollten gut ausgebildete und engagierte Pflegefachkräfte qualifiziert und Pflegeschulen sowie ausbildende Einrichtungen bei der Umstellung auf die neuen Ausbildungen unterstützt werden.

Pflegekräfte: Viel Glück beim Ausbildungsbeginn!

Für die Zeitdauer der „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019-2023) war ein Zuwachs von 10% angedacht. Tatsächlich stiegen die Ausbildungszahlen für Pflegekräfte 2021 jedoch nur um 7% – viel zu wenig. Zumal laut „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021“ der Gewerkschaft ver.di gerade mal 43% der befragten Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden sind. Zum Vergleich: Auszubildende in anderen Berufen erreichen im Schnitt Prozentwerte von über 70% Zufriedenheit.

Der Personalmangel und die chronische Unterbesetzung in der Pflege machen sich bereits in der Ausbildung bemerkbar: Fast zwei Drittel der Auszubildenden in der Altenpflege klagen über permanente und hohe Belastungen, Überstunden und darüber, dass ihre Praxisanleiter keine Zeit zum Anlernen haben. Schlechte Vorzeichen für den Berufseinstieg.

Wie so oft in den letzten Jahren, droht die Pflege auch diesen Wettlauf gegen den zunehmenden Bedarf zu verlieren. Denn unsere Gesellschaft altert rapide – und mit ihr die Pflegekräfte. In manchen Einrichtungen gehören mehr als ein Drittel der Pflegekräfte der Gruppe Ü50 an. Treten Sie ihre Rente an, dürften die nachrückenden Berufsabsolventen zahlenmäßig bei weitem nicht ausreichen, ihr Ausscheiden zu kompensieren.

Falls nicht bald eine Lösung zur Behebung des Pflegenotstands gefunden wird, werden sie sich auch im hohen Alter noch mit ihm konfrontiert sehen – dann aus Patientensicht.