Das Nein zum falschen Thema

Nun ist es beschlossene Sache: Mitarbeitende im Gesundheitswesen – betroffen sind vor allem diejenigen in Kliniken und Pflegeheimen – müssen ab März 2022 einen vollständigen Impfschutz oder eine Gesung nachweisen. 571 der 689 Abgeordneten des Bundestages stimmten für das Gesetz der Ampel-Koalition, nur 80 dagegen.

In vielen Foren wird bereits seit Wochen über das Thema diskutiert, meist sehr emotionsgeladen. Auch ich habe mich daran beteiligt, allerdings ohne große Hoffnung, dass sich hier ein Kompromiss erzielen lässt. Wie überall in Deutschland, sind die Lager auch und gerade im Gesundheitsbereich extrem gespalten, wenn es ums Impfen geht.

Die Einen sind längst geimpft und sehen in impfkritischen Pflegekräften eine – wenn nicht die – Ursache für hohe Infektionszahlen und verschärfte Corona-Regeln. Die Anderen sehen sich bevormundet, beharren auf ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit und schieben als Grund ihrer ablehnenden Haltung die Skepsis vor den nicht ausreichend getesteten Impfstoffen vor.

Impfverweigerung als Form des Protests?

In Wahrheit geht es noch um etwas ganz Anderes: Pflegekräfte durchleiden seit Jahren eine Durststrecke. Der deutsche Pflegenotstand ist bereits legendär wie das Ozonloch und erscheint folgerichtig mit zunehmender Dauer und Ignoranz seitens aller gängigen politischen Parteien unlösbarer als sein Bruder, der Klimanotstand.

Mitarbeitende im Gesundheitswesen haben es satt, von der Politik und der Gesellschaft mit immer neuen Forderungen belegt zu werden, ohne für deren Erfüllung eine Gegenleistung zu erhalten. Höhere Löhne etwa oder mehr Planstellen, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und einiges mehr, was in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufgeschoben wurde.

Lange schon warten sie auf ein Zeichen der Anerkennung und des Umbruchs. Die seitens der Politik auf den Weg gebrachte Impfpflicht für Mitarbeitende im Gesundheitswesen untermauert das Dilemma: Einerseits achtet man sie für ihre wertvolle, stressige und obendrein schlechtbezahlte Arbeit, andererseits würde eine Linderung ihres Elends halt Geld kosten. Viel Geld.

Nein zum Nein

Und so sagen viele Pflegekräfte nun mal Nein. Ob aus Überzeugung oder Trotz: Dieses Nein kommt zur falschen Zeit und zum falschen Thema. Große Teile der Gesellschaft würden sie sogar bei einem Arbeitskampf unterstützen, der einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen dient. Aber nicht beim Thema Impfung.

Diesmal wird Ihnen die Gesellschaft ihre Sympathien vorenthalten. Zu unverständlich erscheint es einem geboosterten Senioren, dass sein Pfleger sich einer Erstimpfung verweigert. Während seine Kinder und Enkelkinder ihn in Zukunft womöglich nur noch vollständig geimpft besuchen dürfen und deren Impfstatus von ebenjenem Pfleger kontrolliert wird.

Die beschlossene Impfpflicht wird etwas bewirken, so oder so. Viele Pflegekräfte drohen mit Kündigung. Nicht wegen der schwierigen Arbeitsverhältnisse oder der Weigerung aller Volksparteien, etwas an diesen zu ändern, zumindest mittelfristig. Nein. Den Stress und den Schichtbetrieb können sie inzwischen ertragen. Eine Impfpflicht nicht.

 

 

4 Antworten auf „Das Nein zum falschen Thema“

  1. Wir brauchen keine Sympathie in Form von klatschen mehr. Sondern bessere Arbeitsbedingungen. Die Arbeitszeiten sind nicht familienfreundlich und der Stress wird auch ohne corona immer mehr. Viel zu wenig Kräfte müssen viel zu viele Patienten versorgen. Die Impfpflicht wird viele endgültig verkraulen.

    1. Danke für Ihre Meinung. Ich setze mich als Autor in vielen Beiträgen immer wieder für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ein. Allerdings halte ich es für unangemessen, den Job zu kündigen, weil der Arbeits- bzw. Gesetzgeber eine Impfung verlangt, die 2/3 der Deutschen bereits ohne Druck zum Schutz ihrer Mitmenschen absolviert haben.

      1. Impfung soll freiwillig sein. Recht auf eigene Entscheidung darf nicht angetastet werden. Außerdem: Warum sind alle so auf uns Pflegekräfte fixiert?

        1. Weil Sie als Pflegekraft beruflich mit Menschen zu tun haben, deren Gesundheit ohnehin angegriffen ist. Daher sollten Sie sich und andere besonders schützen. Und diesen anderen ein gutes Beispiel sein.

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