PPR 2.0 – Definitely maybe (Teil 3)

Fördert die PPR 2.0 Doppelbürokratie?

Lediglich die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als dritter Initiator der PPR 2.0 sieht in dem Vorstoß Bayerns, dem sich Hamburg und andere Bundesländer anschlossen, keine „Kraftprobe zwischen Bund und Ländern“, so Prof. Henriette Neumeyer, stellvertretende DKG-Vorstandsvorsitzende. Dennoch bedauere auch die DKG die Entscheidung, sei die Einführung der PPR 2.0 doch längst überfällig.

Neumeyer räumte aber ein, dass in der der PPR 2.0 zugrunde liegenden Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) in der Tat „kein Ansatz in Richtung eines Ausstieges aus der PpUGV gezeigt wurde und somit Doppelbürokratie auf unbestimmte Zeit die Folge wäre“. Insofern müsse man die Befürchtung der Bundesländer ernst nehmen, die Arbeitszeit der ohnehin knappen Pflegekräfte mit doppelten Meldepflichten zu vergeuden.

Fakten und Fragen

Die PPR 2.0 wird von den Akteuren im Gesundheitswesen als Alternative zur PpUGV klar favorisiert, vor allem deshalb, weil sie sich an den Bedürfnissen der Patienten, deren Pflegegrad und der tatsächlichen Anzahl der Patienten orientiert.

Sie bietet damit eine zeitgemäße und exaktere Bemessungsgrundlage, auch wenn Nachbesserungen vonnöten und derzeit offenbar noch viele Fragen offen sind.

Ein entscheidender Faktor der nun anstehenden Überzeugungsarbeit wird die „Nicht-Erhöhung“ oder gar Verringerung der Bürokratie sein. Schließlich möchte keiner der Beteiligten dauerhaft parallel PPR 2.0- plus PpUGV-Vorgaben erfüllen müssen.

Verringerung der Bürokratie? Das geht möglicherweise!

In der Praxis habe sich gezeigt, so der Deutsche Pflegerat (DPR), dass der bürokratische Aufwand der PPR 2.0 minimal sei. Liegt hier schlicht ein Verständnis- und Kommunikationsproblem vor?

Nein, das ist kein Weg, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Anreize und Selbstbestimmung bringen immer noch am meisten.

Fest steht: Ja, (Fachkräfte)mangelnde Wertschätzung und viele andere Faktoren haben – übrigens über viele Jahre hinweg – zu dramatischen Personallücken in der Pflege geführt.

Sie zu schließen, – etwa durch die Schaffung von Anreizen, aber auch durch Entlastungen, Selbstbestimmtheit und die Berücksichtigung der persönlichen Lebenssituation der Mitarbeiter -, zählt zu den vordringlichsten Aufgaben, um neue Pflegekräfte gewinnen und ehemalige zur Rückkehr in den Pflegeberuf bewegen zu können.

Leider beließ es der Freistaat Bayern bei seinem Nein zur PPR 2.0. Lösungsansätze zur Gewinnung neuer Pflegekräfte oder die Präsentation einer Alternative zur Personalbemessung blieb er hingegen schuldig.

Mehr Selbstbestimmung für Pflegekräfte bei Planungsprozessen

Viele Pflegekräfte wünschen sich beispielsweise mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten und weniger Fremdbestimmtheit bei der Dienstplanung. Einen ersten großen Schritt hin zu mehr Selbstplanung könnte eine verbesserte Abwesenheitsplanung bedeuten. Dabei wird Mitarbeitern die Abstimmung von Urlauben, Fortbildungen etc. direkt untereinander ermöglicht. War diese erfolgreich, wird ein Antrag gestellt, den der Dienstplaner im Idealfall nur noch genehmigt. So gewinnt er wertvolle Zeit, erspart sich anstrengende Diskussionen und unbefriedigende Entscheidungen – und schont ganz nebenbei seine Nerven.

Fazit

Jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist willkommen. Ob die PPR 2.0 diesem Anspruch gerecht wird, kann sie vermutlich nur in der Praxis beweisen.

Immerhin aber orientiert sie sich viel stärker am Pflegeaufwand der Patienten als die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung PpUGV und ermöglicht in den Augen ihrer Erfinder eine effektivere Planung der personellen Ressourcen.

Ein Festhalten an der aktuellen Personalbemessung PpUGV wird weder neue Pflegekräfte gewinnen noch die Patientenversorgung verbessern und auch die Krankenhäuser weiterhin vor wirtschaftliche Herausforderungen stellen. Wer etwas daran ändern möchte, sollte also nicht an dem vielkritisierten System festhalten. Denn Stillstand bringt in der Regel niemanden weiter.

Jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ist willkommen.

Fun fact: Zu den turbulenten Entwicklungen des letzten halben Jahres und insbesondere der letzten Wochen findet sich auf dem Webauftritt des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – kein Wort.

Stillstand durch fehlende Entscheidungen

Das Tauziehen um die PPR 2.0 sorgt nicht nur in der Krankenhauspflege für Ratlosigkeit und Verwirrung. Es hemmt auch die Weiterentwicklung der für die Berechnung, Überwachung, Auswertung und Meldung der Personalschlüssel, Belegungs- und Besetzungsdaten erforderlichen Software. Denn bevor nicht feststeht, auf welchen Kennzahlen das neue Instrument basieren wird, bleibt auch unklar, welche Daten entsprechende Systeme eigentlich überprüfen sollen.

Ich schreibe für Sie und freue mich sehr über eine Rückmeldung zu diesem Artikel. Auch ein Kommentar ist jederzeit willkommen. Vielen Dank für Ihre Zeit.

PPR 2.0 – Definitely maybe (Teil 1)

PPR 2.0: Definitiv vielleicht

Die ungeliebte PpUGV

Eigentlich schien alles klar zu sein: Zum 1.1.2024 sollte die neue Pflegepersonalregelung (kurz: PPR 2.0) Einzug in die Krankenhauspflege finden.

Gefordert wurde dies seit langem von vielen Akteuren im Gesundheitswesen. Ihnen war das bisherige Personalbemessungsinstrument PpUGV (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung) seit dessen Einführung im Jahr 2019 ein Dorn im Auge, weil es sich zu wenig am Pflegeaufwand der Patienten orientiere.

Die PpUGV ist vielen Akteuren im Gesundheitswesen ein Dorn im Auge

Jahrelang hatten die Gewerkschaft ver.di, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Deutsche Pflegerat (DPR) an einem alternativen, patientenorientierteren Instrument gearbeitet, das wiederum am Vorgänger der PpUGV anknüpfen sollte: Der ersten Pflegepersonalregelung (bis 1997), inoffiziell nachträglich in PPR 1.0 umbenannt. Folgerichtig hieß ihre Lösung PPR 2.0.

Die neue Version PPR 2.0 wurde ab 2020 in zunächst 44 Kliniken getestet – und für machbar erklärt. Ihre bundesweite Einführung zum 1.1.2024 – und das Ersetzen der PpUGV – schien eine reine Formalität zu sein. Offenbar auch für das Bundesgesundheitsministerium (BMG): Der letzte Eintrag zur PPR 2.0 auf dessen Webauftritt datiert von August 2023 und stellt lediglich die Abschlussergebnisse der Erprobungsphase bereit, um die Funktionalität zu untermauern. Kein Wort zu erwarteter Kritik, angedachten Nachbesserungen oder der notwendigen politischen Beschlussfassung.

Ist die PPR 2.0 ein Bürokratiemonster? Die Angst vor mehr Bürokratie

Anscheinend hat das Gesundheitsministerium die PPR 2.0 jedoch allzu früh als „erledigt“ abgehakt und die Verabschiedung der Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) – in der die PPR 2.0 verankert ist – durch den Bundesrat Ende November 2023 einfach vorausgesetzt. Dabei wurde während der bis zum 29. November 2023 laufenden Anhörungsfrist teilweise harsche Kritik an dem neuen Bemessungsinstrument PPR 2.0 laut.

Schon früh wurde die Befürchtung geäußert, die PPR 2.0 werde zu einem ähnlichen „Bürokratiemonster“ wie die PpUGV. Außerdem seien die Übergangszeiten bis zur verbindlichen Umsetzung – und dem Verhängen von Sanktionen – zu kurz bemessen. Der Abschlussbericht der Erprobungsphase habe überdies einige Schwierigkeiten bei der Umsetzung aufgezeigt, weshalb eine Weiterentwicklung notwendig sei.

Verwirrung im Gesundheitswesen

Auch die Nichtberücksichtigung von Nachtdiensten sowie Unklarheiten bezüglich der zu meldenden Kennzahlen waren Gegenstand der Kritik an der PPR 2.0. Das Bundesgesundheitsministerium äußerte sich dazu nicht und ließ viele Akteure ratlos ins neue Jahr starten. Möglicherweise dachte man, es sei bereits alles zum Thema gesagt worden.

Die zur verbindlichen Umsetzung der PPR 2.0 notwendige Rechtsverordnung ließ auf sich warten. Und wie das so ist, wenn Informationen ausbleiben: Es wird spekuliert. Während in den Augen der Einen die PPR 2.0 vorläufig auf Eis lag, trat sie nach Ansicht Anderer zum 1.1.2024 trotz fehlender Beschlusslage in Kraft.

— weiter gehts mit Teil 2 —