PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen

Das Pflegestärkungsgesetz und die PeBeM

Ab dem 1. Juli 2023 gibt ein neues, bundeseinheitliches Verfahren die Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen vor: Die PeBeM.

Bislang wichen die Personalrichtwerte und Regelungen der Bundesländer voneinander ab, das einzige verbindende Element bestand in einer pauschalen Pflegefachkraftquote von 50 Prozent.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sah allerdings die „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI“ vor.

Mit dieser Aufgabe wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen betraut. Dankenswerterweise setzte sich frühzeitig die Kurzbezeichnung PeBeM durch.

Professor Rothgangs Team sammelte zunächst im Rahmen einer Studie Daten aus 62 Pflegeeinrichtungen. Auf Grundlage der folgenden Auswertungen wurde ein Algorithmus entwickelt, der die zur Betreuung innerhalb einer Einrichtung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation errechnet.

Ergebnisse der Rothgang-Studie

Die Ergebnisse der Studie und die daraus resultierenden Erkenntnisse und Maßnahmen haben wir für Sie im Zwillingsartikel PebeM: Neues zur Altenpflege zusammengefasst. Er nennt auch konkrete Zahlen zu dem anhand der Studienergebnisse errechneten, personellen Mehrbedarf in der (Alten-)Pflege.

Wie aber funktioniert die PeBeM?

Für die PeBeM wurden gesammelte Daten ausgewertet und daraufhin ein Algorithmus entwickelt.

Die PeBeM basiert auf je zwei quantitativen wie qualitativen Faktoren, die sich auf die Bewohner einerseits (Case-Mix) und die Pflegekräfte andererseits (Care-Mix) beziehen und aufeinander abgestimmt werden, um die Pflegezeiten und den Personalbedarf zu errechnen.

Auf diese Weise orientiert sich der Fachkräfteeinsatz stets am individuellen Pflegegradmix der Einrichtung. Bei einem hohen Anteil an Bewohnern mit Pflegegrad 4 oder 5 etwa – und dem damit verbundenen, hohen Pflegeaufwand – werden besonders viele Pflegefachkräfte garantiert.

Der Case-Mix

Der Case-Mix bezeichnet den Pflegebedarf der Bewohner. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Anzahl der Bewohner und
  •     Pflegegrad der Bewohner der Einrichtung.

Dem Case-Mix werden die Qualifikationen und die Wochenarbeitsstunden der Pflegekräfte gegenübergestellt (Care-Mix).

Der Care-Mix

Der Care-Mix bezeichnet die zur Verfügung stehenden Pflegeressourcen. Er errechnet sich aus den Faktoren

  •     Vollzeitäquivalent und
  •     Qualifikationsstufe der Pflegekräfte.

Das Vollzeitäquivalent: Gradmesser für die Stundenzahl der Pflegekräfte

Ein Schlüsselbegriff beim Care-Mix ist das so genannte Vollzeitäquivalent. Diese Bezugsgröße entspricht der Wochenarbeitszeit einer Vollzeitpflegekraft und ist ungefähr das, was bei der Bruchrechnung der gemeinsame Nenner ist.

Da in stationären Einrichtungen oftmals viele Teilzeitkräfte mit verschiedensten Arbeitszeitmodellen beschäftigt sind, müssen deren Arbeitszeiten zunächst auf das entsprechende Vollzeitäquivalent umgerechnet werden.

Arbeitet eine Vollzeitkraft innerhalb einer Einrichtung zum Beispiel 40 Stunden pro Woche, entspricht dies einem Vollzeitäquivalent. Ein Mitarbeiter in 20%-Teilzeit und einer entsprechenden Wochenarbeitszeit von 8 Stunden kommt folglich auf ein Vollzeitäquivalent von 0,2.

Bliebe es bei diesen beiden Pflegekräften, hielte die Pflegeeinrichtung also 1,2 Vollzeitäquivalente zur Betreuung bereit.

Qualifikationsstufen: Ausbildungsgrad der Pflegekräfte

Zweite Bezugsgröße für den optimalen Care-Mix ist die Qualifikation der Pflegekräfte. Sie wird in vier Qualifikationsniveaus (QN) und drei Qualifikationsstufen unterteilt:

Qualifikationsstufe 1

QN 1: Personen ohne Ausbildung, nach 4 Monaten angeleiteter Tätigkeit

QN 2 (Pflege): Personen ohne Ausbildung mit einem 2-6monatigen Pflegebasiskurs und 1-jähriger angeleiteter Tätigkeit; QN 2 (Betreuung): Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI und § 53c SGB XI

Qualifikationsstufe 2

QN 3: Pflegeassistenzkräfte mit 1- oder 2-jähriger Ausbildung

Qualifikationsstufe 3

QN 4: Pflegefachpersonen/-kräfte mit 3-jähriger Ausbildung

PeBeM und Mindestpersonalvorgaben der Länder: Was gilt denn nun?

Mithilfe der PeBeM kann der individuelle Personalbedarf je Einrichtung rechnerisch exakt ermittelt werden. Wichtig: Die Personalschlüssel je Pflegegrad stellen künftig lediglich eine bundeseinheitliche Höchstgrenze dar, die durch die Pflegesatzvereinbarungen abgedeckt wird. Die Mindestpersonalaustattung in Einrichtungen wird weiterhin durch die Personalrichtwerte des jeweiligen Bundeslandes bestimmt.

Wie erfolgt die Zuordnung?

Die Vollzeitäquivalente und Qualifikationsstufen sind im Sozialgesetzbuch (SGB) unter § 113c SGB XI der „Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ den einzelnen Pflegegraden zugeordnet. So werden beispielsweise für einen Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5 folgende Personalanhaltswerte vorgegeben (komplette Tabelle nachstehend):

  •     Hilfskraft ohne Ausbildung (Qualifikationsstufe 1): 0,1758 Vollzeitäquivalente
  •     Hilfskraft mit Helfer- oder Assistenzausbildung von mindestens einem Jahr(Qualifikationsstufe 1): 0,1102 Vollzeitäquivalente
  •     Fachkraft (Qualifikationsstufe 3): 0,3842 Vollzeitäquivalente

 

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,0770 –        Pflegegrad 1

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1037 –  Pflegegrad 2

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,1551 – Pflegegrad 3

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,2463 – Pflegegrad 4

Qualifikation Pflegefachkraft (QS 3/QN 4) – Vollzeitäquivalent 0,3842 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0564 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,0675 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1074 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1413 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft mit mindestens 1-jähriger Ausbildung (QS 2/QN3) – Vollzeitäquivalent 0,1102 – Pflegegrad 5

 

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,0872 – Pflegegrad 1

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1202 – Pflegegrad 2

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1449 – Pflegegrad 3

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1627 – Pflegegrad 4

Qualifikation Hilfskraft ohne Ausbildung (QS 1/QN 1+2) – Vollzeitäquivalent 0,1758 – Pflegegrad 5

 

Quelle: § 113c Sozialgesetzbuch (SGB XI)

 

Eine höhere personelle Ausstattung ist möglich, aber nur unter bestimmten Umständen wirtschaftlich sinnvoll. Zum Beispiel, wenn sie in der bestehenden Pflegesatzvereinbarung festgehalten wurde oder die Einrichtung ihr Ausfallmanagement über einen Personalpool reguliert.

So oder so müssen aber in der Altenpflege zunächst ausreichend Pflegefachkräfte zur Verfügung stehen. Der Berufsstand benötigt ebenso eine Aufwertung wie die Ausbildungsbedingungen. Hierüber erfahren Sie mehr in meinem zweiten Blog-Beitrag zur PeBeM: Neues zur Altenpflege.

PeBeM: Neues zur Altenpflege

Ziel der Personalbemessung in der Pflege (PeBeM)

Ab 1. Juli 2023 trat die Vorgabe zur Personalbemessung in der Pflege (PeBeM) in Kraft. Ihr Ziel: Die knappen Ressourcen in der vollstationären Altenpflege sollen möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden. Deshalb definiert die PeBeM auch – anders als etwa die PpUGV in der Fachkrankenpflege – keine personellen Untergrenzen, sondern orientiert sich an den Pflegesatzvereinbarungen, deren Bemessungsgrundsätze im Sozialgesetzbuch festgehalten sind. Vorgaben zur Mindestpersonalausstattung gibt es aber auch – mehr dazu gleich im Anschluss.

Wen betrifft die PeBeM?

Die PeBeM betrifft lediglich vollstationäre Einrichtungen der Langzeitpflege. Hiervon ist besonders die Altenpflege betroffen, die den Großteil der stationären Einrichtungen ausmacht.

Im teilstationären Bereich müssen ein geringerer Anteil an Fachkraftaufgaben und Überschneidungen mit der ambulanten Pflege und dem betreuten Wohnen beachtet werden. Daher wurde von der Einführung der PeBeM als einheitliches Instrument zur Personalbemessung abgesehen.

Auch auf die ambulante Pflege ist die PeBeM nicht anwendbar, weil die durch Pflegebedürftige und deren Angehörige in Anspruch genommenen Hilfen nicht objektiv bewertet werden können.

Ermittlung des individuellen Pflegepersonalbedarfs

Die Pflegeeinrichtungen errechnen ihren individuellen Personalbedarf aufgrund der PeBeM-Kennzahlen und gleichen ihn mit den vorhandenen Ressourcen ab. Liegt eine qualitative oder quantitative Unterdeckung vor, – laut einschlägigen Studien ist die Wahrscheinlichkeit groß –, muss nachgebessert werden.

Da eine entsprechende Personalentwicklung viel Zeit in Anspruch nimmt, gilt für die tatsächliche Umsetzung der PeBeM in den Einrichtungen ein Übergangszeitraum bis 2025.

Eine bundeseinheitliche Regelung zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs existierte vor der PeBeM nicht. Stattdessen schrieb eine Fachkraftquote von 50% pauschal den Anteil der Pflegefachkräfte im Personalbestand fest.

In Altenheimen herrscht ein individueller Pflegepersonalbedarf

Außerdem definierten die einzelnen Bundesländer voneinander abweichende Personalrichtwerte, welche die Anzahl an Heimbewohnern und Pflegekräften ohne Berücksichtigung des Pflegeaufwands gegenüberstellten. Weitere landesbezogene Unterschiede erschwerten eine vereinheitlichende Regelung. Obwohl die landeseigenen Richtwerte zum Teil stark voneinander abweichen, bleiben Sie auch der vollstationären Pflege als Mindestpersonalausstattung erhalten.

Blog-Artikel PeBeM 2023: Wie geht sie eigentlich?

Wie aber werden diese Mindestpersonalausstattung und die optimale Personalausstattung gemäß PeBeM errechnet? Auf welchen Personalkennzahlen basiert letztere? Und wo liegt der Unterschied? Diese und weitere Fragen beantwortet Ihnen mein zweiter Blog-Beitrag PeBeM 2023: Begriffe und Kennzahlen.

Die Ursprünge der PeBeM

Zwar wurden in der Vergangenheit mehrere Versuche unternommen, ein Verfahren zur Vereinheitlichung einzusetzen. Bereits bei Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 stand die Personalbemessung von Pflegeheimen zur Debatte.

Allerdings scheiterten alle bisherigen Ansätze – auch deshalb, weil stets die Belastung der Pflegekräfte und die Pflegekosten im Mittelpunkt standen, nicht aber die Qualität der Pflege.

Das Pflegestärkungsgesetz II vom 1. Januar 2016 sollte Abhilfe schaffen. Es hat grundlegende Veränderungen und Verbesserungen im Pflegesystem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zum Inhalt.

Unter anderem schrieb es verbindlich die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Personalbemessung vor, das die knappen Personalressourcen optimal zu verteilen vermag. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde schließlich der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen mit dieser Aufgabe betraut.

Rückschau: Gescheiterte Modellverfahren zur Pflegebedarfsermittlung

Schon 1996 wurde das Standard-Pflegesatz-Modell (SPM) ersonnen. Aufgrund massiver Kritik wegen inhaltlicher Fehler – unter anderem bei der Berechnung der Stundensätze und Zuschläge – wurde das Modell ebenso wie das in Kanada entwickelte PLAISIR-Verfahren wieder verworfen. Allerdings lieferte das SPM wertvolle Erkenntnisse, die in die Entwicklung von Prof. Rothgangs Bemessungsverfahren einflossen. Unter anderem die, dass die Jahresnettoarbeitszeit nicht als fixe Größe, sondern als variabler Parameter eingebaut werden sollte.

Der Algorithmus und die Erkenntnisse der Rothgang-Studie

Sein Team wertete zunächst im Rahmen einer Studie große Mengen von Daten aus, die in 62 Pflegeeinrichtungen gesammelt worden waren, etwa die Anzahl der Bewohner und Betreuungspersonen sowie die erfolgten Interventionen (pflegerische Aktivitäten). Auf deren Grundlage wurde ein Algorithmus entwickelt, der anhand der Anzahl und des Pflegegrades der Heimbewohner exakt die zur Betreuung benötigten Pflegekräfte und deren erforderliche Qualifikation (QN) errechnet.

Diese Soll-Zahlen wurden innerhalb der Studie mit dem Ist-Zustand in den untersuchten Einrichtungen abgeglichen. Das ernüchternde, wenngleich kaum überraschende Ergebnis: Dort herrscht ein gewaltiger personeller Mehrbedarf. Um eine gute Versorgung gemäß PeBeM gewährleisten zu können, müssten die Einrichtungen ihr Personal um satte 36% aufstocken.

Der Personalbestand innerhalb der Einrichtungen wurde mit den Soll-Zahlen abgeglichen.

Die Nachtwache bleibt außen vor

Nicht nur die ambulante und teilstationäre Versorgung ist von der PeBeM ausgeklammert, sondern auch eine einheitliche Regelung zur Personalbesetzung im Nachtdienst. Diese ist nämlich ebenfalls Ländersache – mit „teils katastrophalen und gesundheitsgefährdenden Folgen“ (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest). Nur in vier Bundesländern existierten demnach konkrete Vorgaben für die Besetzung mit Pflegefachpersonen in den Nachtstunden.

Raritäten in der Altenpflege: Assistenzkräfte

Der personelle Ressourcenmangel machte sich während der durchgeführten Studie unter anderem dadurch bemerkbar, dass notwendige Interventionen oder Teilschritte wie das Desinfizieren der Hände aus Zeitmangel nicht durchgeführt wurden.

Besonders hoch ist mit 69% der Mehrbedarf bei den Pflegeassistenzkräften. Das hängt maßgeblich damit zusammen, dass sie ebenso wie ungelernte Hilfskräfte nicht zu den Fachkräften zählen und beispielsweise keine Medikamente ausgeben dürfen. Logischerweise wurden die vergleichsweise teure Assistenzkräfte in den letzten Jahren kaum eingestellt.

Die PeBeM bedenkt sie nun mit einer eigenen Qualifikationsstufe (QN 3) und wertet ihre Tätigkeit somit gegenüber den ungelernten Pflegehilfskräften auf.

Der Schlüssel zu einer verbesserten Pflege liege neben der reinen Personalmengensteigerung vor allem in der Organisations- und Personalentwicklung, so Rothgang. Da sich viele erfahrene, jedoch nur mit QN 1 eingestuften Pflegehilfskräfte aufgrund der genannten Problematik die Ausbildung zum einjährigen Pflegeassistenten (QN 3) erspart hatten, müssen die Pflegeeinrichtungen sie nun aktiv dazu anhalten, diese Qualifizierung doch noch zu durchlaufen.

Rollenspiel: Delegieren für Anfänger

Qualifizierte Fachkräfte wiederum wandten im Untersuchungszeitraum einen großen Teil ihrer sogenannten Fachkraftzeit für Interventionen im falschen QN auf, die auch geringer qualifizierte Helfer hätten ausführen können. Die Methode „Jeder macht alles“ müsse künftig – nicht nur in der Altenpflege – durch eine kompetenzorientierte Pflege ersetzt und die Rolle von Pflegefachkräften und deren Aufgaben wie Planung, Anleitung, Beaufsichtigung, Evaluation und Delegation klarer definiert werden.

Ein Umdenken ist erforderlich. Die Pflegefach- und Assistenzkräfte sollten nach Professor Rothgangs Meinung zunächst ihre neuen Rollen annehmen und manche Aufgaben an Hilfskräfte abgeben. Darüber hinaus müssten alle Pflegekräfte wieder lernen, ohne Hetze zu arbeiten. Ob das beim vorherrschenden Personalmangel – laut der Studie besteht in der Pflege ein Mehrbedarf von über 100.000 Vollzeitäquivalenten – ein machbares Ziel ist?

Um schrittweise zusätzliches Pflegepersonal gewinnen zu können, wurden seit Beginn 2021 durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer ersten Personalausbaustufe 20.000 zusätzliche Stellen für Assistenzkräfte von der Pflegeversicherung finanziert. Ab Juli 2023 folgen Stufe 2 und ab 2025 mögliche weitere Ausbaustufen. Ein früheres Stellenprogramm mit 13.000 Stellen für Pflegefachpersonen läuft bereits seit Anfang 2019.

Das klingt nach einem Plan. Zumindest so lange, bis man den Soll-Zahlen den Istbestand gegenüberstellt. Denn bei den Pflegefachkräften wurden im Jahr 2019 lediglich rund 4.000 sogenannte Kopfstellen finanziert und damit 2.800 Vollzeitäquivalente geschaffen. Außerdem wurden 2021 nur etwa 4.400 Stellen für Pflegehilfskräfte bewilligt.

Verbesserung der Ausbildungsbedingungen

Neueinstellungen und organisatorische Änderungen sind immerhin ein Anfang. Allerdings sei aber auch die Schaffung adäquater Ausbildungsstrukturen eminent wichtig, so Rothgang weiter.

Bereits vor Jahren beklagte der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e. V. (BLGS) einen deutlichen Lehrermangel in der Pflege und eine zunehmende Verschlechterung in der Qualität der Ausbildung. Er forderte daher einen „Hochschulpakt Pflegebildung“, der beispielsweise unbefristete Stellen für Lehrbeauftragte und dauerhaft ausfinanzierte Studienplätze beinhalten sollte.

Um die Einführung der neuen Pflegeausbildungen nach dem Pflegeberufegesetz zu unterstützen, starteten das Bundesfamilien-, das Bundesgesundheits- und das Bundesarbeitsministerium bereits 2019 die „Ausbildungsoffensive Pflege“.

Eines der Ziele: Werbung für eine Ausbildung in der Pflege. Außerdem sollten gut ausgebildete und engagierte Pflegefachkräfte qualifiziert und Pflegeschulen sowie ausbildende Einrichtungen bei der Umstellung auf die neuen Ausbildungen unterstützt werden.

Pflegekräfte: Viel Glück beim Ausbildungsbeginn!

Für die Zeitdauer der „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019-2023) war ein Zuwachs von 10% angedacht. Tatsächlich stiegen die Ausbildungszahlen für Pflegekräfte 2021 jedoch nur um 7% – viel zu wenig. Zumal laut „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021“ der Gewerkschaft ver.di gerade mal 43% der befragten Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden sind. Zum Vergleich: Auszubildende in anderen Berufen erreichen im Schnitt Prozentwerte von über 70% Zufriedenheit.

Der Personalmangel und die chronische Unterbesetzung in der Pflege machen sich bereits in der Ausbildung bemerkbar: Fast zwei Drittel der Auszubildenden in der Altenpflege klagen über permanente und hohe Belastungen, Überstunden und darüber, dass ihre Praxisanleiter keine Zeit zum Anlernen haben. Schlechte Vorzeichen für den Berufseinstieg.

Wie so oft in den letzten Jahren, droht die Pflege auch diesen Wettlauf gegen den zunehmenden Bedarf zu verlieren. Denn unsere Gesellschaft altert rapide – und mit ihr die Pflegekräfte. In manchen Einrichtungen gehören mehr als ein Drittel der Pflegekräfte der Gruppe Ü50 an. Treten Sie ihre Rente an, dürften die nachrückenden Berufsabsolventen zahlenmäßig bei weitem nicht ausreichen, ihr Ausscheiden zu kompensieren.

Falls nicht bald eine Lösung zur Behebung des Pflegenotstands gefunden wird, werden sie sich auch im hohen Alter noch mit ihm konfrontiert sehen – dann aus Patientensicht.

Die Tagesalarmsicherheit bei der Feuerwehr: Ein Problem

Helden von nebenan

Wenn Kinder in Grundschulen und Kindergärten nach ihrem Berufswunsch befragt werden, rufen noch immer einige: „Na, Feuerwehrmann!“ (Mehr zu den Geschlechterrollen später im Artikel.) Schließlich verlangen dessen Tätigkeiten neben dem Einsatzwillen fürs Gemeinwohl und einer gewissen Umsicht auch ein gehöriges Maß an Unerschrockenheit. Heldeneigenschaften.

Vorstellung vs. Realität

In der Realität wird dieses „Heldentum“ allerdings oftmals von Vorschriften bestimmt. Von Gefahren, deren Ausmaß Außenstehende kaum erfassen. Von bürokratischem Gerangel mit Versicherungen, die bestimmte Einsätze im Nachhinein für überflüssig befinden. Von schrecklichen Bildern an Unfallstellen oder Brandorten, die man im Kopf mit nach Hause nimmt.

Helfen für lau

Und das alles oft ohne Bezahlung. Wie sich das für Helden geziemt. Denn die meisten Feuerwehrleute üben ihren „Beruf“ ehrenamtlich aus. Und müssen überdies oft damit leben, von der Berufsfeuerwehr als „minderwertige Hilfskräfte“ angesehen zu werden. Das ist nicht nur beleidigend, sondern auch gefährlich. Denn ohne Freiwillige wären vielerorts die Berufsfeuerwehren gar nicht mehr handlungsfähig.

Ehrenamt Feuerwehr

Tatsächlich sind reine Berufsfeuerwehren nur in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern üblich. Zwar sind auch in kleineren Städten und Gemeinden hauptberufliche Feuerwehrleute beschäftigt. Sie werden dort allerdings oftmals für Hintergrundarbeiten eingesetzt, bereiten Lehrgänge vor oder prüfen die technischen Gerätschaften. Zwei Drittel aller Einsätze werden jedoch bundesweit von Freiwilligen durchgeführt. Statistiken des Deutschen Feuerwehrverbandes zufolge standen im Jahr 2018 bundesweit einer Million ehrenamtlicher lediglich 33.000 Berufsfeuerwehrleute zur Seite.

Zeiten ändern sich

Dieses Prinzip funktioniert seit Jahrhunderten – und das erstaunlich gut. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die erwachsenen Männer eines Ortes zum Feuerlöschdienst verpflichtet. Aus dieser Pflichtfeuerwehr formierten sich später Freiwillige Feuerwehren. Neben dem Engagement für die Gemeinschaft mag manchen Freiwilligen auch die Sorge bewegt haben, das eigene Haus könne eines Tages in Flammen aufgehen.

Früher fiel Löschdienst unter Nachbarschaftshilfe

Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Gesellschaft. Traten Freiwillige früher hauptsächlich der Kameradschaft wegen in die Feuerwehr ein, bieten sich heute zum Knüpfen sozialer Kontakte auch viele alternative und weniger verpflichtende Freizeitmöglichkeiten an. Ist ein solches Ehrenamt darüber hinaus mit gesundheitlichen Gefahren und psychischen Belastungen verbunden, schwindet die Bereitschaft, sich für die Gesellschaft zu engagieren.

Kollision von Ehrenamt und Lebensplan

Die Freiwillige Feuerwehr passt in der modernen Gesellschaft oft nicht mehr in den eigenen Lebensplan. Junge Menschen ziehen nach der Schulzeit häufig vom Land in die Stadt und bilden sich auch nach Feierabend weiter. Die langfristige Bindung an eine ehrenamtliche Aufgabe und eine Organisation stößt sowohl bei der Karriere- als auch der Familienplanung auf Widerstand, bisweilen auch auf Unverständnis.

Der Aktionsradius wächst

Abseits dieser Hürden besteht jedoch noch ein weitaus größeres Problem. Stützte sich das ortsgebundene, vorindustrielle System der Freiwilligen Feuerwehren noch auf einzelne Dörfer, sind weite Teile Deutschlands inzwischen urban strukturiert. Aus den einstmaligen Dörfern wurden Vorstädte, Kommunen oder Landkreise mit Industriegebieten und Wohnvierteln im Grünen.

Zeit- und anderer Druck

Freiwillige Feuerwehrleute arbeiten heute im Hauptberuf nicht mehr als Hufschmied vor Ort, sondern viele Kilometer entfernt in Großunternehmen, im Handel oder der Industrie. Meist benötigen sie viel Zeit, um ihre heimischen Feuerwachen im Fall eines Notrufs zu erreichen. Mehr Zeit jedenfalls als die zehn Minuten, innerhalb derer das erste Löschfahrzeug am Einsatzort sein sollte.

Ehrenamt und Job vertragen sich nicht immer

Und auch das funktioniert nur, wenn die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter für Einsätze und Ausbildungen von der Arbeit freistellen. Gesetzlich sind sie hierzu zwar verpflichtet und erhalten von der Gemeinde eine Entschädigung in Form eines Kostenersatzes. Dennoch üben viele Arbeitgeber Druck auf diejenigen Mitarbeiter aus, die sich auch während ihrer Arbeitszeit ehrenamtlich für die Gemeinschaft engagieren, weil ihnen dies ein Bedürfnis ist.

Die aktive Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr ist daher nicht selten mit Angst vor Repressalien bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes verbunden.

Kooperationen bieten Vor- und Nachteile

In vielen örtlichen Feuerwachen kann die Tagesalarmsicherheit kaum noch gewährleistet werden, weil die für einen Einsatz erforderliche, personelle Mindestbesetzung nicht mehr in der vorgeschriebenen Zeit vor Ort sein kann.

Ungeliebte Fusionen

Kooperationen benachbarter Feuerwehren und Ausrückegemeinschaften sorgen nur teilweise für Abhilfe. Vielerorts müssen Wachen geschlossen werden, sind Umstrukturierungen und Fusionen unumgänglich. Sie bündeln nicht nur vorhandene Kräfte, sondern vereinfachen auch die verwaltungstechnischen Prozesse durch Zentralisierung.

Durch zu große Entfernungen ist die Tagesalarmsicherheit gefährdet

Reduziert man die Anzahl der Ortsfeuerwehren, verlängert man jedoch abermals die Anfahrtswege und gefährdet obendrein den Nachwuchs. Zwar erfreuen sich die Jugendfeuerwehren noch immer eines gewissen Zuspruchs. Die Eltern der jungen Feuerwehrleute legen jedoch schon mal ihr Veto ein, wenn der Anfahrtsweg zum Verteiler mit dem Fahrrad zu riskant erscheint oder der Standort 20 km entfernt liegt und die ganze Familie zu Fahrdiensten herangezogen wird.

Im Alter durchs Feuer gehen?

Um dem Mitgliederschwund etwas entgegenzusetzen, wurde die Altersgrenze für ehrenamtliche Feuerwehrangehörige in einzelnen Bundesländern von 63 Jahren bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben. Auch versucht man Einwohner, die beispielsweise nach ihrem Studium oder ihrer Ausbildung zurück in ihre Heimatorte zogen und über eine feuerwehrspezifische Ausbildung verfügen, dazu zu überreden, wieder in die Wehr einzutreten.

Aufbruch in die Moderne

Längst ist den Planungsverantwortlichen klar, dass das örtliche Feuerwehrfest oder der Tag der Offenen Tür nicht mehr ausreichen, um neue Kameraden zu gewinnen. Oder eben Kameradinnen, denn der Frauenanteil bei der Freiwilligen Feuerwehr liegt allen männlichen Vorbehalten zum Trotz mittlerweile bei rund 10 % – Tendenz steigend. Eine erfreuliche Entwicklung auch deshalb, weil Feuerwehr lange Zeit ausschließlich mit Männern assoziiert wurde.

Erfreulich: Immer mehr Kameradinnen engagieren sich in der Feuerwehr

Zwar werden die Kameradinnen mancherorts noch immer öfter im Servicebereich oder der Jugendarbeit als in vorderster Linie in den so genannten Angriffstrupps eingesetzt. Aber ihre Akzeptanz unter den männlichen Kollegen wächst und auch Führungspositionen werden inzwischen oft von Frauen bekleidet.

Die Vorbildfunktion wirkt: Viele Jugendfeuerwehren verzeichnen bereits einen Mädchenanteil von 20 %. Frischer Wind für die Zukunft der Feuerwehren – auch wenn viele Aktive diesem Wandel noch skeptisch gegenüberstehen. Doch auch sie sehen ein, dass sich mit alleiniger Unterstützung durch Senioren weder die Tages- noch die Nachtalarmsicherheit dauerhaft gewährleisten lässt.

Wenn aus Fremden Retter werden

Jüngste Zielgruppe der Mitgliederwerbung sind Migranten. Mit einem Anteil von 1 % noch stark unterrepräsentiert und lange Zeit ignoriert, entwickeln sie sich innerhalb unserer Gesellschaft zum Hoffnungsträger. In vielen Bereichen der Grundversorgung sind Menschen mit Einwanderungsgeschichte bereits unentbehrlich geworden. Vielleicht auch bald in der Feuerwehr?

Wem geholfen wurde, der hilft auch gerne mal

Viele Migranten sind gut ausgebildet und verfügen – leider auch aufgrund nicht anerkannter Berufsabschlüsse, ohne die die Aufnahme einer Werktätigkeit erschwert wird – über zeitliche Ressourcen, an Einsätzen teilzunehmen. Oftmals wurde ihnen auf ihrem Weg nach und in Deutschland Hilfe zuteil, die sie gerne erwidern würden. Zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement bei der Feuerwehr.

Back to the roots

Dies untergräbt übrigens keineswegs Traditionen. Ein großes Plus der Feuerwehren lag ja stets in deren Vielschichtigkeit. Ob Anwalt oder Automechaniker, Imker oder Ingenieur: Bei der Feuerwehr waren immer viele Gesellschaftsschichten und Berufe vertreten. Gerade in Notsituationen verschwimmen eben Klassenunterschiede zugunsten eines gemeinsamen Ziels. Und den zu rettenden Personen ist letztlich egal, wer sie aus dem Wrack ihres Fahrzeugs befreit oder die eigene Familie vor dem Feuer oder der Flut rettet.

Anreize: Nett sein hilft bei Mitgliedergewinnung und -erhalt

Grundsätzlich ist die Aufstellung einer Feuerwehr eine Pflichtaufgabe der Gemeinden. Daher werden die Stimmen derer lauter, die Anreize aus der Politik zur Gewinnung neuer Mitglieder fordern. So könnte die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Feuerwehr – ähnlich wie Erziehungszeit bei Eltern – bei der Rentenberechnung berücksichtigt oder eine kleine Zusatzrente aus öffentlichen Quellen finanziert werden.

Auch kleine Gesten zählen

Bereits Zeichen des guten Willens könnten Respekt und Interesse gegenüber der wichtigen, gefährlichen und oft ehrenamtlichen Arbeit der Feuerwehr bekunden. So könnten die Gemeinden ihren Feuerwehrleuten freien Eintritt ins örtliche Schwimmbad gewähren: Sympathisch, billiger als ein Präsentkorb und überdies ein Beitrag zur Erhaltung der Fitness und Einsatzfähigkeit.

In aller Bescheidenheit

Auch der Vorschlag einer kostenlosen Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs durch Mitglieder der Feuerwehr wäre eine nette und in den Augen der Ideengeber praktische Geste: So sei sichergestellt, dass die Kameraden zur Wache oder zum Übungsdienst gelangen. Ob Letzteres praktikabel ist, sei dahingestellt. Es spricht jedoch Bände, wenn solche Argumente als Verstärker des Wunsches nach Anerkennung für gemeinnützige Arbeit verwendet werden.

Freier Eintritt ins Freibad für Feuerwehrleute? Warum eigentlich nicht?

Für Lösungsansätze und den Dialog mit den Feuerwehren sollte die Politik – in diesem Fall die jeweilige Gemeinde – jedenfalls offener sein als in der Vergangenheit. Da wurden bedarfsplanerische Analysen in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse den Betroffenen nie mitgeteilt wurden. Oder Standorte zusammengelegt, ohne sie im Vorfeld miteinzubeziehen. Selbst altgediente Feuerwehrleute und Führungskräfte fühlen sich da schon mal übergangen und respektlos behandelt – und quittieren frustriert den Dienst. Guter Wille hat eben auch Grenzen.

Brände, Hochwasser und andere Katastrophen: Die täglichen Belastungen der Feuerwehr

Der Dienst fordert Feuerwehrleuten ohnehin einiges ab: Verfügbarkeit quasi rund um die Uhr und übers ganze Jahr neben Job und Familie. Körperliche und seelische Belastungen. Verantwortung für Opfer und Kameraden. Ein ganzer Gefahrenkatalog aus Bränden, Gefahrstoffen, einstürzenden Gebäuden, Sturm, Hochwasser und vielem mehr. Dazu Stress, Beschimpfungen und auch schon mal Gewalt.

Wir alle brauchen die Feuerwehren. Wenn die Gemeinden mit deren Aufstellung überfordert sind, müssen irgendwann Kreis- und Landesverwaltung als nächste Instanz entscheiden, wie es weitergeht. Die Zukunft könnte dann vielerorts in reinen Pflichtfeuerwehren bestehen. Ob diese die Organisation vereinfachen, bleibt offen. Günstiger als die ehrenamtliche Lösung sind sie jedenfalls nicht.

Keine Angst vorm EuGH

Für manche ist sie im Lauf der Jahre zum Freund geworden, andere fremdeln noch heute mit ihr: Die Vertrauensarbeitszeit. Seit 2019 sorgt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg (EuGH) für Wirbel und die Wiedereinführung der generellen Arbeitszeiterfassung – wenn auch unter veränderten Vorzeichen.

Stein des Anstoßes: Der Europäische Gerichtshof definierte, dass die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet seien, eine Rechtsgrundlage zur generellen Arbeitszeiterfassung zu schaffen. So ist es beispielsweise in Deutschland nicht zwingend notwendig, geleistete Arbeitszeit zu erfassen. Lediglich Überstunden – also Zeit, die über die täglich übliche Arbeitszeit hinausgeht – müssen dokumentiert werden.

Wie weise ich Überstunden nach?

In der Urteilsbegründung des EuGH wurde die Frage aufgeworfen, wie man eigentlich Überstunden berechnen wolle, wenn die Arbeitszeit generell nicht erfasst oder definiert werde. Kurzum: Wer seine geleisteten Stunden nicht notiere, könne auch nicht nachweisen, dass er Überstunden geleistet hat. So weit, so schlüssig.

Vieles wurde nach dem so genannten „Stechuhr-Urteil“ geschrieben. Der nachfolgende Beitrag informiert Sie nochmals über den dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit, den Ist- und Soll-Zustand der Vertrauensarbeitszeit sowie die Auswirkungen des Urteils für die EU-Staaten.

Das EuGH-Urteil im Jahr 2023: Ein Gespenst geht um

Zwei Punkte vorweg: Panik ist nicht angebracht. Es liegt zwar in der Natur juristischer Entscheidungen, dass diese je nach Standpunkt polarisiert, interpretiert und kommentiert werden. Ohne Meinungsverschiedenheiten käme es schließlich gar nicht erst zu den Streitigkeiten, welche ein richterliches Urteil erfordern. Bei aller Interpretationsfreiheit ist die von einigen empfundene Angst vor einer Reaktivierung der veralteten und im Keller verstaubenden Stechuhren jedoch unangebracht.

Das Ende der Vertrauensarbeitszeit?

Auch bedeutet das EuGH-Urteil keine generelle Abkehr von der Vertrauensarbeitszeit. Vielmehr offenbart es, wie unterschiedlich das ihr zugrunde liegende Konzept bislang aufgefasst wurde. Denn das Vertrauen  eines Arbeitgebers in seinen Mitarbeiter, Aufgaben innerhalb seiner Arbeitszeit mit Elan und Sorgfalt nachzugehen, wird durch deren Dokumentation ja nicht diskreditiert. Und niemand wird dem Arbeitgeber später vorschreiben, diese Aufzeichnung einzusehen. Das Vertrauen bleibt also. Wenn es denn vorhanden war.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“

Solche und ähnliche Argumente von Kritikern begleiteten seinerzeit die Einführung der Vertrauensarbeitszeit und den Abschied von antiquierten Stechkartensystemen. Dabei erwies sich die Befürchtung mancher als unbegründet, die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten würden unterschritten, sobald sie nicht mehr dokumentiert werden. Im Gegenteil: Die Zahl der geleisteten Mehrarbeitsstunden stieg nach Abschaffung starrer Arbeitszeiten sogar an. Deutschlandweit lag sie im vergangenen Jahr laut Auskunft der Bundesregierung bei über 2 Milliarden Stunden.

Die Ursprünge

Ursprünglich hatte die Vertrauensarbeitszeit neben einer Senkung der Personalkosten zum Ziel, den Anforderungen einer modernen Welt Rechnung zu tragen, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erfordert. Die Flexibilität sollte erhöht, die Eigenverantwortung – und damit die Motivation – der Arbeitnehmer gesteigert werden.

Deren Arbeitgeber schenkten ihnen das Vertrauen, ihre vertraglich vereinbarten Arbeits- und Ruhezeiten auch ohne kontrollierende Instanzen einzuhalten und sich im Rahmen dieser Vorgaben selbst zu organisieren. Mehrarbeit sollte nicht mehr für Extra-Urlaubstage angehäuft, sondern in kleinem Umfang mit einem Zeitausgleich kompensiert werden.

In Deutschland musste bislang denn auch nur die Arbeitszeit dokumentiert werden, welche über die Regelarbeitszeit von 8 Stunden täglich hinaus geleistet wurde. Diese Praxis ist laut des Urteils des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg (EuGH) jedoch unwirksam. Wie, so die Ausgangsfrage des Urteils, soll man Mehrarbeit erfassen, wenn weder die reguläre Arbeitszeit von maximal 48 Stunden pro Woche noch Ruhezeiten von täglich mindestens 11 Stunden dokumentiert werden? Es sei daher erforderlich, Arbeitszeiten innerhalb der EU künftig exakt zu erfassen.

Er war’s! Sie war’s!

Grundlage des Urteils war ein Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und einer spanischen Tochterniederlassung der Deutschen Bank.

Der Arbeitnehmer berief sich auf die EU-Richtlinie 2003/88 EG, welche nicht nur unter anderem Ruhe- und Pausenzeiten, sondern auch die Einhaltung der damit verbundenen Schutzvorschriften regelt. Ursprünglich vor der Audiencia Nacional verhandelt (dem Nationalen Spanischen Gerichtshof), wurde die Streitsache von dieser schließlich dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Gegen die Selbstausbeutung

In dessen Urteilsbegründung taucht nirgendwo das Wort „Stechuhr“ auf. Es wird auch kein anderes Instrument zur Arbeitszeiterfassung benannt. Das liegt daran, dass das EuGH solche Vorgaben überhaupt nicht machen wollte. Beim Urteil ging es lediglich um die Frage, wie der Arbeitgeber eigentlich dafür sorgen könne, den Mitarbeiter vor Überlastung und Selbstausbeutung zu schützen, wenn er ihm keine Möglichkeit eröffne, seine Arbeitszeit zu dokumentieren und sein Stundenkonto im Auge zu behalten.

Noch hat das Urteil keine konkreten Auswirkungen für Unternehmen. Denn der Europäische Gerichtshof stellt es jedem EU-Staat frei, wie er dieses national umsetzt. Unabhängig davon sei die Einhaltung und Dokumentation von Höchstarbeitszeitgrenzen und Ruhezeiten jedoch ein Grundrecht von Arbeitnehmern innerhalb der EU, welches es zu wahren gilt.

Aha. Und wie sieht das in der Praxis aus?

Für die EU-Mitgliedsstaaten bedeutet dies nicht nur, nationale Gesetzesentwürfe für die Erfassung von Arbeitszeiten diverser Branchen vorzulegen, sondern auch Ausnahmeregelungen (z.B. für Kleinstbetriebe) zu schaffen und Berufe zu berücksichtigen, deren Arbeitszeit generell schwer zu dokumentieren ist. Auch Home-Office wird besondere Berücksichtigung finden.

Jeder Arbeitsschritt wird zeitlich erfasst

Selbst für die mit künftigen Gesetzesvorlagen konfrontierten Politiker beginnt der Arbeitstag bereits vorm Frühstück mit E-Mails und der Lektüre diverser Tageszeitungen. Journalisten sind zu jeder Zeit auf der Suche nach Stories, und vielen kreativen Freiberuflern, Beratern oder Dozenten sind geregelte Arbeitszeiten ohnehin fremd. Dem EuGH-Urteil zufolge müsste künftig jede Recherche, jedes Telefonat und das Checken von beruflichen E-Mails im Zug zeitlich erfasst werden.

Was sagt die Politik dazu?

Apropos Politiker. Die deutsche Regierungskoalition zeigte sich schon damals in ihrer Meinung über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes gespalten.

Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine umfassende Arbeitszeiterfassung als notwendig begrüßte, um die Rechte der Beschäftigten zu sichern, wollte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zunächst noch ein Rechtsgutachten in Auftrag geben, um die Frage nach einem konkreten Umsetzungsbedarf zu klären. Je nach Ergebnis des Rechtsgutachtens sollte ein Vorlageverfahren angestrengt werden. Das Ergebnis des Gutachtens liegt leider noch immer nicht vor.

Ja oder Nein

Übrigens ist die Arbeitszeiterfassung in vielen Branchen längst üblich. So würden beispielsweise Krankenhäuser oder Rettungsdienste ohne eine exakte Regelung der Dienstzeiten nicht funktionieren. Ferner bestehen umfängliche Aufzeichnungspflichten im Gaststätten- und Hotel-, Bau-, Speditions- und Transportgewerbe sowie in vom gesetzlichen Mindestlohn betroffenen Betrieben.

Darüber hinaus können nach derzeitiger Rechtslage deutsche Aufsichtsbehörden auch ohne EuGH-Beschlüsse bereits eine so genannte „Total-Aufzeichnung“ in Betrieben anordnen, welche die arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen nicht oder nur unzureichend einhalten.

Die Rückkehr der Stechuhr?

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) äußert Kritik an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes. „Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert“, heißt es in einer Stellungnahme. „Auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 kann man nicht mit einer Arbeitszeiterfassung 1.0 reagieren.“ Vereinzelt macht gar der Begriff „Rückfall in die Steinzeit“ die Runde.

Das Ende der Flatrate

Dem gegenüber begrüßt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) das EuGH-Urteil als Grundlage für eine faire Dokumentation auch jener Tätigkeiten, welche bislang nebenbei in der Freizeit erledigt und somit nicht als Arbeitszeit bewusst wahrgenommen wurden. So werde der „Flatrate-Arbeit“ ein Riegel vorgeschoben, wie Annelie Buntenbach, Mitglied im Bundesvorstand des DGB, betonte: „Statt mit der Stechuhr könnte man heutzutage schließlich per Smartphone und App die Arbeitszeit dokumentieren.“

Wie machen das andere Länder mit der Zeiterfassung?

Werfen wir doch mal einen Blick hinüber zu unseren EU-Nachbarn. In Italien oder Österreich ist eine generelle Arbeitszeiterfassung verpflichtend. Der französische Gesetzgeber schreibt diese zumindest für jene Arbeitsverhältnisse vor, die keinem horaire collectif (=kollektiver Schichtplan) unterliegen.

Es bedarf jedoch keiner Stechuhr, um in der Arbeitswelt 4.0 die Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Im österreichischen Arbeitszeitgesetz (AZG) heißt es: „Der Arbeitgeber hat zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen.“

Stechuhr? Pustekuchen!

Um diese Anforderung zu erfüllen, erfassen die Mitarbeiter Ihre Arbeitszeiten selbst mit Hilfe von Apps oder Tools. So haben Sie ihre Zeiten im Blick und für den Fall eines Rechtsstreits oder einer Überprüfung durch Aufsichtsbehörden jederzeit parat. Darunter leidet aber weder ihre Selbstorganisation noch das Vertrauensverhältnis zu ihren Arbeitgebern. Auch dies ist Arbeitswelt 4.0.

Doch was bedeutet das EuGH-Urteil nun für deutsche Betriebe? „Mach’s gut, Vertrauen?“

Nein. Denn die Erfassung geleisteter Arbeitszeiten kollidiert nicht mit dem der Vertrauensarbeitszeit zugrunde liegenden Gedanken der Eigenverantwortung und Flexibilität. Durch Dokumentierung ihrer Arbeitszeiten geben die Arbeitnehmer ihre Souveränität ja keineswegs preis. Möglicherweise steigert der bessere Überblick über ihre tatsächlich geleisteten Zeiten sogar ihre Lebensqualität durch weniger Mehrarbeitsstunden. Und somit die von Arbeitgebern gewünschte Motivation.

Vertrauen und Wertschätzung

Das Vertrauen eines Arbeitgebers in seinen Mitarbeiter hängt nicht von europäischen oder nationalen Urteilen ab, sondern von der Wertschätzung, mit der beide einander begegnen. Diese wird wie erwähnt nicht dadurch untergraben, dass die bislang „gemerkten“ Arbeitszeiten künftig genau erfasst werden. Vielmehr schafft man mit diesem Instrument eine für beide Seiten verlässliche Rechtssicherheit.

Eine positive Einstellung

Insofern kommt der Abgesang auf die Vertrauensarbeitszeit also verfrüht. Sicher, das Dokumentieren von Arbeitszeiten bringt Kosten und Verwaltungsaufwand mit sich. Doch dank moderner Zeiterfassungssysteme dürfte sich beides in Grenzen halten. Und vielleicht in Zukunft teure Rechtsstreits wie denjenigen vermeiden, welcher dem EuGH-Urteil zugrunde lag.

So bedeutet das Urteil aus Luxemburg also keine Diskreditierung, sondern je nach Sichtweise sogar eine Aufwertung der Vertrauensarbeitszeit. Demnach sollte es nicht heißen: „Mach’s gut!“ Sondern vielmehr: „Machen wir’s künftig besser.“

New Work: Noch immer aktuell

Nehmen wir an, Karl Marx sei noch am Leben und hätte miterlebt, auf welch unterschiedliche Weise seine Idee des Kommunismus im Lauf der Jahre interpretiert wurde. Sicherlich wäre er von totalitären politischen Systemen, deren Weltbild und Massenverbrechen wie der maoistischen Kulturrevolution oder dem Großen Terror unter Stalin nicht begeistert und würde sich deutlich von diesen distanzieren.

Prof. Dr. Frithjof Bergmann erging es zu Lebzeiten mit New Work ähnlich. Der austro-amerikanische Philosoph, der in deutschsprachigen Vorträgen auch den Begriff Neue Arbeit benutzte, entwickelte Ende der 1970er Jahre eine unerhört revolutionäre Sozialutopie. Diese sah nicht nur eine Teilung des starr getakteten 8-Stunden-Arbeitsalltags vor, sondern auch eine Sinnsuche und -findung der einzelnen Arbeitnehmer in ihren Tätigkeiten. Berufung statt Beruf. Die aktuelle Interpretation der New Work-Idee reichte ihm nicht weit genug.

Die kreative Kraft

Bergmann war kein Hippie-Philosoph. Er hatte einen Lehrstuhl an der University of Michigan inne und führte Lehraufträge an der Stanford-Universität, der University of Chicago und der University of Berkeley aus. Daneben beriet er Regierungen, Firmen, Gewerkschaften und Kommunen in Fragen der Zukunft der Arbeit und der Innovationsfreudigkeit. Und er ärgerte sich darüber, dass heutzutage bereits ein bisschen mehr Eigenverantwortung im Job als New Work gilt.

Marx und seine Kritik am Kapitalismus

Wie Karl Marx, setzte sich auch Frithjof Bergmann intensiv mit dem vorherrschenden Modell des Kapitalismus‘ auseinander. In seinem Hauptwerk „Das Kapital“ charakterisierte Karl Marx das Wesen der menschlichen Existenz als „Fähigkeit des Menschen, seine Umwelt schöpferisch und frei zu gestalten“. Diese kreative Kraft ist laut Bergmann auch der Schlüssel zur New Work, welche das durch unflexible Arbeitsmodelle ausgebremste Potential der Arbeiter nutzen wollte.

Das New Work der 1970er

New Work sah vor, die Lohnarbeitszeit zu verringern und um die Sparten Selbstversorgung und selbstständige Tätigkeiten zu erweitern, die den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen eher entsprechen als beispielsweise seine Arbeit am Fließband. Bei der Suche nach einer für ihn geeigneten Nebentätigkeit solle der Mitarbeiter kräftig unterstützt werden – und zwar vom Arbeitgeber!

Das klingt weltfremd? Nicht, wenn man den Kontext betrachtet, in dem New Work geboren wurde. Bergmann arbeitete in den 1970er Jahren bei General Motors in Flint/Michigan, wo sich die Werksarbeiter bedingt durch Rezession und den Einsatz moderner Fertigungstechniken mit drohenden Massenentlassungen konfrontiert sahen. Diese sollten durch Kurzarbeit verhindert und zugleich den Arbeitern werksseitig dabei geholfen werden, in der freigestellten Zeit ihre Talente für andere Tätigkeiten zu finden.

Digitalisierung und Automatisierung erfordern Umdenken

So gesehen, war New Work zunächst eine Form des Krisenmanagements. Dass Bergmanns Idee nach vielen Jahren gerade eine Renaissance und Neuinterpretation erlebt, verdankt sie weitaus größeren, strukturellen Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt als seinerzeit in Michigan. Was die Frage aufwirft, ob man New Work angesichts der veränderten Umstände neu interpretieren darf oder gar muss.

Was hat sich geändert?

Der arbeitende Mensch der Gegenwart strebt vermehrt nach Selbstverwirklichung und dem Integrieren seiner Talente in seine berufliche Tätigkeit. Dieser durchaus egoistische Wunsch wurde in früheren Zeiten arbeitgeberseitig eher als Hemmnis empfunden. Konformität war das Gebot der Stunde, Individualisierung jeglicher Art war verpönt. Schließlich musste auch der Vorgesetzte Punkt 8:00 Uhr am Schreibtisch sitzen, statt seiner Verantwortung vom Frühstückstisch aus nachzugehen.

Arbeit und Freizeit sind kein Widerspruch

Längst haben wir jedoch den Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungs- und digitalen Zeitalter vollzogen. In vielen Unternehmen haben sich mehr oder weniger innovative Ansätze bei der Gestaltung des Arbeitsumfelds bereits durchgesetzt. Eigenverantwortung, gesundheitspräventive Maßnahmen und das Berücksichtigen von privaten Rahmenbedingungen sollen Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, nicht mehr Untergebene, sondern geschätzte Ruderer im selben Boot zu sein.

Arbeitszeiten und –orte sind immer öfter flexibel, Beruf und Familie vereinbar und Hierarchien flacher. Teilzeitarbeit und Transparenz zählen längst zu den festen Bestandteilen des Arbeitslebens, und auch Home Office und Entspannungsseminare sollen zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen. Doch ist dies tatsächlich New Work?

Spaß allein reicht nicht

Nein! sagte Frithjof Bergmann, dem diese Ansätze nicht weit genug gingen. Auch deshalb nicht, weil seine Vision einen anderen Ansatz verfolgte als das bloße Versüßen des Arbeitsalltags und den daraus resultierenden Spaß bei der Arbeit. In seiner ursprünglichen Vision der New Work sollten die Menschen ihre individuellen Talente suchen und in selbstständiger Weise zu ihrem wie auch zum Wohl der Gemeinschaft anwenden. Arbeit, die du wirklich, wirklich willst, so das New-Work-Credo.

Das klingt tatsächlich nicht nach Tischkicker und Team-Yoga. Diese sind bestenfalls das i-Tüpfelchen auf einer gelungenen New Work-Strategie. Kein Mensch arbeitet wegen der Tischtennispausen bei hippen Global Playern. Sondern weil die Arbeit dort seinen individuellen Neigungen entspricht und das Einbringen seiner Persönlichkeit geschätzt wird.

New Work 4.0

Flexibel denkende und agil handelnde Mitarbeiter stehen bei vielen Unternehmen hoch im Kurs. Auch engagierte Quereinsteiger und –denker sind gefragter denn je. Menschen, welche nicht nur ihre Arbeitszeit ableisten, sondern auch ihre individuellen Fähigkeiten in den Job einbringen. Die mit viel Empathie auf Kunden und spezielle Problemstellungen eingehen und auch mal unorthodoxe Ideen entwickeln, wenn ausgefallene Lösungen notwendig sind.

New Work lässt unkonventionelle Ideen zu

New Work in der Arbeitswelt 4.0 beinhaltet noch immer Frithjof Bergmanns Werte Selbstständigkeit, persönliche Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Die aktuelle Interpretation seiner Sozialutopie diskreditiert diese Werte also keineswegs, sondern setzt sie innerhalb der heutigen Möglichkeiten einzelner Unternehmen und Branchen in die Praxis um.

 

Revolutionäre Ideen lassen sich oftmals nur im Rahmen von Kompromissen realisieren. Dies trifft auf neue Techniken und Ideologien ebenso zu wie auf Visionen. Nicht immer sind deren Erfinder mit dem Ergebnis zufrieden, siehe Karl Marx. Und doch rücken auch Kompromisse die Welt meist ein Stück weit in die von ihnen angedachte Richtung.

Ansätze für New Work: Der erste Schritt

Zunächst ist nicht entscheidend, wie konsequent das eigene Unternehmen die Philosophie von New Work umsetzt. Allein das Wahrnehmen der Mitarbeiter als Individuum mit Familie, Zielen, Engagement, Wünschen, Talenten und Ideen durch den Vorgesetzten bedeutet vielerorts bereits einen bedeutenden Schritt nach vorn.

Allerdings sollten auch die Mitarbeiter selbst an einer Verbesserung ihres Arbeitsumfelds und der Integration ihrer persönlichen Fähigkeiten interessiert sein. Und natürlich motiviert, sich in diesen Prozess proaktiv einzubringen – egal, ob man ihn New Work nennt oder nicht. Gerade in bislang streng hierarchisch geführten Organisationen ist dies keine Selbstverständlichkeit.

Das New Work-Feeling

Den  Arbeitnehmern wurde mit Einführung der Vertrauensarbeitszeit eine gewisse Selbstbestimmtheit gewährt. Schließtag in der Kita? In Ordnung, dann mache ich heute halt Home Office. Oma zum Arzt fahren? Dank gleitender Arbeitszeit kein Problem.

Das Vertrauen des Arbeitgebers ersetzte die Kontrolle und das Einräumen von Freiheiten führte zu erhöhter Selbstständigkeit bei den Mitarbeitern. Deren Eigenverantwortung kann weiter gesteigert werden, indem sie beispielsweise ihre Budgets selbst verwalten oder in wichtige unternehmerische Prozesse miteinbezogen werden.

So sind die Mitarbeiter mancher Unternehmen bei Entscheidungen stimmberechtigt, können eigene Leistungsziele selbst festlegen oder werden am Unternehmenserfolg beteiligt. Im Idealfall fühlt ihre Arbeit sich an wie die am eigenen Start-Up. Work-Life-Fusion statt nur –Balance.

In vielen Unternehmen sind solche Modelle längst etabliert. Oftmals nicht ganz freiwillig, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt verlangt nach Veränderung. Ob im IT- oder Pflegebereich, in der Beratung oder im Handwerk: Der Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen und Organisationen dazu, die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Hausmittel gegen Fachkräftemangel

Nun ist es nicht jeder Branche vergönnt, mit Gewinnbeteiligungen um künftige Angestellte zu buhlen. Mitarbeitern im Pflegebereich erscheinen zuweilen selbst milde Formen von New Work wie flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur beruflichen Fortbildung oder flache Hierarchien wie gewagte Zukunftsutopien. Berufliche Perspektivlosigkeit und geringes Einkommen sind hingegen Realität und für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen mitverantwortlich.

 

Pflegenotstand 2021

 

Der Mangel an Pflege(fach)kräften wurde in den letzten Jahren zum Dauerthema. Obwohl sie seit Jahren am Limit arbeiten und durch die Corona-Pandemie teilweise dauerüberlastet wurden, ist keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sicht. Jede dritte Pflegekraft denkt mittlerweile über einen Jobwechsel nach.

Dabei sind sich Pflegekräfte im Gegensatz zu manch anderen Arbeitnehmern der Tatsache bewusst, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Dieses Wissen reicht zur Mitarbeitergewinnung und –bindung allerdings nicht aus. Entscheidende Faktoren sind der Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen, die Anerkennung der eigenen Arbeit und die Möglichkeit, diese mitzugestalten. Identifikation durch Integration. Oder, anders ausgedrückt: Echte Teilhabe an der Gemeinschaft.

Selbstbestimmtheit ist wichtig, Supervisionen oder die Aussicht auf den Erwerb akademischer Qualifikationen motivieren zusätzlich. Denn auch lebenslanges Lernen zählt zu den Grundprinzipien von New Work. Sie erinnern sich:  Arbeit, die du wirklich, wirklich willst. Die eigenen Qualifikationen optimiert man als Mitarbeiter schon aus eigenem Interesse.

Nur noch fünf Tage bis zum Wochenende

Die in ihren strengen Strukturen erstarrte Erwerbsarbeit der 1970er Jahre, welche Frithjof Bergmann mit einer leichten Erkältung verglich, die man noch bis Freitag aushalte, sollte zum Wohle der Mitarbeiter, aber auch des Unternehmens der Vergangenheit angehören.

Produktivität und Wachstum, jene Schlagworte der Industrialisierung, sind noch immer aktuell. Allerdings werden sie heute mit Motivation und Identifikation in direkten kausalen Zusammenhang gesetzt.

Moderne Unternehmen und Organisationen bauen auf Mitarbeiter, die nicht gezwungenermaßen, sondern gerne zur Arbeit erscheinen. Weil sich ihr Arbeitsumfeld stetig verbessert und die Teamarbeit gefördert wird. Weil sie sich nicht als kleine Rädchen in Getrieben, sondern als mitspracheberechtigten Teil der Unternehmensgemeinschaft empfinden. Und weil ihnen mehr Einfluss auf ihre Tätigkeit sowie Zeit für Familie und Hobbys gewährt wird.

Die Politik und New Work

Zur Zeit der geistigen Geburt von New Work in den 1970ern sah die Arbeitswelt noch ganz anders aus. Doch auch heute, da einzelne Unternehmen aus freien Stücken die 4-Tage-Woche einführen oder Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen, tut sich die Politik schwer damit, die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für bessere New Work zu schaffen. Zum Thema (Neue) Arbeit äußerten sich nahezu alle deutschen Volksparteien in der Vergangenheit gleichermaßen reserviert.

So propagierte die CDU noch bis vor kurzem einen Rechtsanspruch auf Teilzeit, die SPD möchte diesen für Home Office verankern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versuchte, mit seinem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ Stellenabbau zu vermeiden und die Kurzarbeit in Kombination mit Weiterqualifizierungen zu fördern – ein ähnlicher, wenn auch nicht so weit gefasster Ansatz wie in den 1970ern  bei General Motors in Flint.

Die Grünen stellten in Aussicht, nach der Elternzeit früher als bisher wieder in den Beruf zurückzukehren zu können, und die Linke hatte immerhin das Thema Crowdworking (freiberufliche Auftragsarbeit, z.B. Texterstellung) für sich entdeckt und wollte Selbstständige sozialrechtlich absichern. So oder so: Die Fokussierung auf Home Office allein genügt nicht.

Mehr Lebensfreude durch angewandte New Work

Apropos Home Office. Einer der wenigen Kritikpunkte an New Work bezieht sich auf den fließenden Übergang zwischen Berufs- und Privatleben. Da eine klare Abgrenzung fehle, häuften Mitarbeiter im Home Office viele Überstunden an, für die sie überdies nicht entlohnt würden. Andere Kritiker argumentieren, Unternehmen seien nicht dem Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter, sondern dem ihrer Kunden verpflichtet. Glückliche Mitarbeiter rechtfertigten keine möglichen Auftragsverluste.

Nun liegt es New Workern fern, ihrem Unternehmen Umsatzeinbußen zu bescheren, schließlich verstehen sie sich als Teil desselben. Und es obliegt jedem Unternehmen, die Regeln der New Work zu umreißen. Home Office beispielsweise ist nicht per se an eine Rufbereitschaft rund um die Uhr gekoppelt. Umgekehrt greifen Mitarbeiter aber gerne auch mal im heimischen Büro zum Hörer, wenn nach dem beruflichen Telefonat im Garten die Wasserschlacht mit dem Nachwuchs wartet.

Ja, Arbeit darf nämlich durchaus Spaß machen. Auch wenn Frithjof Bergmann dieses Wort im Zusammenhang mit New Work so gar nicht gefallen hatte.

Bye bye Pflege (Teil 5)

Dazu müssen Pflegeberufe allerdings künftig mehr Anreize bieten. Bereits heute fehlen in Pflegeheimen 120.000 zusätzliche Vollzeit- oder 200.000 Teilzeitstellen, wie der Gesundheitsökonom Prof. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen im Auftrag der Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Berufsverbände errechnet hat. „Der Markt ist komplett leer gefegt“, so sein Fazit. „Die andere Hälfte des Notstands ist aber, dass es im Pflegebereich viel zu wenig Stellen gibt.“

Der Mindestbedarf muss gedeckt werden

Diesem Manko trägt man mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Rechnung, welches einen Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Schaffung von 20.000 zusätzlichen Stellen für Pflegehilfskräfte vorsieht. Es stützt sich auf ein Verfahren zur Errechnung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen, das am SOCIUM Forschungszentrum erarbeitet wurde.

Rasches Handeln ist nötig, wie Studien beweisen. So hat das Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) deutschlandweit knapp 2.000 Pflegeexperten aus Pflegeheimen und ambulanten Diensten befragt, inwieweit sich deren Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie verschlechtert haben. 40 Prozent der Befragten klagten über eine Zunahme der körperlichen Belastung. Die psychische Belastung sei gar um bis zu 65 Prozent gestiegen. Grund für die Mehrbelastung in der stationären Pflege seien zusätzliche Aufgaben, die im Zuge der Pandemie angefallen seien.

Nur jede 5. Stelle wird besetzt

In einer anderen Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) berichteten bis zu 84 Prozent der befragten Pflegekräfte von Personalmangel, Überlastung und dem aus Zeitnot resultierenden Wegfall pflegerischer Tätigkeiten wie Körper- und Mundpflege von Patienten oder der Vorbeugung von Thrombosen oder Infektionen. Darüber hinaus gehen zwei Drittel der Pflegenden täglich mit der Angst zur Arbeit, sich und ihre eigene Familie mit dem Corona-Virus anzustecken.

Schätzungen zufolge entfielen auch vor der Pandemie auf 100 freie Stellen in der Altenpflege gerade mal 27 Bewerber. Am Ende wird nur jede fünfte Stelle besetzt. Und das dauert im Durchschnitt ein halbes Jahr. Sechs Monate, in denen Patienten schlechter versorgt werden, als es ihnen zusteht. In denen Pflegekräfte täglich ein Plus auf ihre Schicht packen, ein Plus an Arbeit, an Zeit, an Menschlichkeit, an Würde.

Es ist an der Zeit, dieses Plus zu honorieren. In Form von zusätzlichen Pflegekräften, von besserer Aus- und Fortbildung, höheren Löhnen und beruflichen Perspektiven. In Form von Respekt.

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Bye bye Pflege (Teil 4)

Die Realität sieht derzeit anders aus. Während der Pandemie wurden im Pflegebereich teilweise Arbeitszeit- und Schutzgesetze sowie Pflegepersonal-Untergrenzen ausgesetzt, um Mehrarbeit und durchgearbeitete Wochenenden zu ermöglichen. Alte, vorerkrankte und sogar positiv getestete Mitarbeiter mussten zum Dienst erscheinen, weil sie nicht abkömmlich waren.

Im Berliner Humboldt-Klinikum durften sich die Beschäftigten nach einem Ausbruch der Coronavirus-Mutation B.1.1.7. innerhalb einer Pendelquarantäne im Januar 2021 nur zwischen der Klinik und ihrem Zuhause bewegen. Essen, schlafen, arbeiten.

Pflegen statt Fliegen

Ein anderes bekanntes Berliner Klinikum – die Charité – stockte vorübergehend den Personalbestand im Pflegedienst durch Flugbegleiterinnen auf, die sich in Kurzarbeit befanden. So konnten Fachpflegekräfte entlastet werden und die Intensivstationen unterstützen.

Viele Lösungen sind und waren improvisiert und dem Corona-Virus geschuldet. Doch auch unabhängig vom Pandemiegeschehen fehlt es seit langer Zeit an vielem. An besserer Qualifikation durch Aus- und Fortbildung zum Beispiel oder an der Übertragung von Verantwortung.

Qualifizierung als Anreiz

„Weil die Pflege ein Assistenzberuf ist, müssen Ärzte fast alles erstmal abnicken“, so die Professorin Henrikje Stanze von der Hochschule Bremen. Da Pflegekräfte jedoch eigene Kompetenzbereiche haben, wird an ihrer Fakultät seit dem Wintersemester 2019/2020 Deutschlands erster international anerkannter Vollzeit-Pflegestudiengang angeboten.

Das auf acht Semester ausgelegte Studium mit dem Abschluss Bachelor of Science umfasst Theorie- und Praxisphasen und ein verpflichtendes Auslandssemester. So erhalten Studierende Einblick in die Organisation anderer Länder und Wissen über dort übliche Hilfsmittel und Behandlungsmöglichkeiten. Da der Studiengang international angelegt ist, können auch ausländische Studierende ihn besuchen – und so den Einstieg in die deutsche Pflegebranche finden.

 

*** Welche Ansätze existieren außerdem? Teil 5 schließt das Thema (vorläufig) ab. ***


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Bye bye Pflege (Teil 3)

Natürlich sind es nicht die Prämien, die pflegende Menschen in ihrem Job halten oder sie diesen ergreifen lassen. Es ist ihr Berufsethos: der Wunsch, anderen Menschen zu helfen. Doch auch das größte Engagement leidet, wenn man innerhalb einer 12-Stunden-Schicht um das Leben und die Genesung von Patienten ringt, die Ansteckungsgefahr mit dem Tragen von Schutzkleidung und dem Desinfizieren von Gegenständen niedrig hält – und auf dem Heimweg in eine polizeibegleitete Massendemonstration gegen Schutzmaßnahmen gerät.

Längst geht es nicht mehr nur um zu geringe Löhne und zu belastende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. Aber eben auch.

Laut einer Daten-Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) aus dem Jahr 2019 lag der Lohn bei einem Drittel der Pflegekräfte und bei 15 % der Pflegefachkräfte in der Altenpflege unterhalb der Niedriglohnschwelle von 2.203 Euro brutto im Monat.

Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, hat daher ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro für Pflegefachkräfte als angemessene und gegenüber anderen Berufsgruppen konkurrenzfähige Entlohnung angeregt. Er möchte damit auch „Pflegende motivieren, ihre Teilzeitstellen aufzustocken oder in den Beruf zurückzukehren.“

Neben höheren Löhnen fordert er unter anderem auch einen besseren Gesundheitsschutz und ein bundeseinheitliches Bemessungsverfahren, um die Personalbestände aufstocken zu können.

Reform-Entwürfe im Wahljahr 2021

Einen weiteren Vorstoß hin zu einem einheitlichen Tarifvertrag für Pflegekräfte in der Altenpflege unternahm 2021 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein „Gesetzentwurf für ein Pflege-Tariftreue-Gesetz“ macht Tariflöhne zur Bedingung für Abrechnungen mit der Pflegeversicherung. „Betreiber von Pflegeeinrichtungen bekommen nur dann Geld aus der Pflegeversicherung, wenn sie ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen“, so Heil.

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in seinem Entwurf zur Reform der Pflegefinanzierung bereits angeregt, in Zukunft nur noch Pflegedienste und Pflegeheime zuzulassen,  die nach Tarif oder tarifähnlich bezahlen.

 

*** Wurde dieser Plan umgesetzt? Und welche Gründe halten Menschen abseits der niedrigen Löhne davon ab, einen Pflegeberuf zu ergreifen? Das schildere ich Ihnen in Teil 4. ***


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Bye bye Pflege (Teil 2)

Dies spiegelt die Situation innerhalb der Branche: Einer  Untersuchung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) zufolge erwägt jede dritte Pflegekraft einen beruflichen Wechsel.

Viele halten nur noch aus Pflichtbewusstsein durch. Sie haben ihren Ausstieg aus der Pflege lediglich auf die Zeit nach Corona aufgeschoben. Die Pandemie beschleunigt also derzeit trotz erschwerter Arbeitsbedingungen den Fachkräftemangel nicht unbedingt, sondern bremst ihn ironischerweise sogar vorübergehend ab. Nicht aber den Frust.

Pflegekräfte helfen aus Überzeugung

Zwar genießen Pflegekräfte wegen ihrer engagierten Einstellung zu ihrem Beruf große Anerkennung innerhalb der Gesellschaft. Sie gelten als „Überzeugungstäter“, weil sie ihre Arbeit als sinnvoll und erfüllend empfinden.

Die physischen und psychischen Belastungen ihres Jobs nötigen uns allen viel Respekt ab und wären vielen Menschen in Deutschland selbst bei besserer Bezahlung nicht zumutbar.

Patienten behandeln, Senioren pflegen, Sterbenden die Hand halten. Im Schichtbetrieb und unter oftmals stressigen Voraussetzungen. Dazu seit einem Jahr unter Corona-Bedingungen inklusive erhöhter Ansteckungsgefahr.

Ein Stolperstein für die Pflege: Keine einheitlichen Löhne

Abhilfe in der Altenpflege hätte der zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelte, flächendeckende Tarifvertrag schaffen können.

Um diesen umsetzen zu können, wäre laut Gesetz die Zustimmung der kirchlichen Träger Caritas und Diakonie erforderlich gewesen, die in der Altenpflege zusammen rund 300.000 und damit mehr als ein Viertel der dort tätigen Pflegekräfte beschäftigen.

Während sich jedoch die Diakonie eines Votums enthielt, lehnte die Caritas den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags ab. So bleibt also erstmal alles beim Alten.

Prämie oder Plätzchen?

Es passt ins Bild, dass in den vergangenen Jahren die Finanzierung der Corona-Prämien erst heiß diskutiert wurde und diese später nur einem Teil der unter erhöhter Gefahr arbeitenden Pflegekräfte ausgezahlt wurden.

Ihre Kollegen, in deren Pflegeheim oder Krankenhaus möglicherweise ein oder zwei Corona-Patienten weniger versorgt wurden oder die über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind, mussten sich derweil mit Applaus, Plätzchen oder Christstollen begnügen.

 

*** Wie aber könnte man Pflegekräfte halten – und neue hinzugewinnen? Mehr dazu in Teil 3. ***


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Bye bye Pflege (Teil 1)

Pflege ist sexy – so lange sie dem eigenen Körper gewidmet ist. Ein großer Teil der täglich konsumierten 10.000 Werbebotschaften gilt denn auch diversen Pflege- und Kosmetikprodukten. Durch die Flut dieser sich ähnelnden Botschaften leiden Konsumenten allerdings mehr und mehr an Werbeblindheit, nehmen sie und die jeweils beworbenen Produkte also längst nicht mehr bewusst wahr.

Ein Schicksal, das auch die Berichterstattung über die andere Pflege betrifft. Die, welche sich mit der Betreuung hilfsbedürftiger, kranker und alter Menschen beschäftigt. Und die gemeinhin nicht als sexy gilt. Die regelmäßig in Dokumentarbeiträgen, Talk-Shows und unserer Wahrnehmung auftaucht – und doch wieder in Vergessenheit gerät, sogar in der pflegeintensiven Corona-Zeit. In der Berichte über erschwerte Arbeitsbedingungen, geplatzte Tarifverträge und Fachkräftemangel rasch durch andere, aktuellere Informationen ersetzt werden.

Hilft verdrängen wirklich?

Vieles spricht dafür, dass die meisten von uns früher oder später auf die Dienste von Pflegekräften angewiesen sein werden. Diese These wird von den meisten Menschen aber ähnlich tabuisiert wie die einzige Gewissheit im Leben: Dass alles Lebendige vergänglich ist – und wir alle irgendwann sterben werden.

Dem entsprechend, zählt Pflegebedarf zu den Dingen, die man gemeinhin in den Hinterkopf und aus dem Gedächtnis verbannt. Wie die eigene Grabstelle oder das Testament.

Wenn Promis was machen, ist es wohl wichtig

Die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf machten letztes Jahr mit einer über siebenstündigen Reportage auf ProSieben das Thema Pflege in den Mittelpunkt gerückt und setzten es unter dem Hashtag #Nichtselbstverständlich auch auf die Tagesordnung sozialer Netzwerke .

Den Senderangaben zufolge sahen allein über 17 Millionen jüngerer Zuschauer die Sendung „Joko & Klaas gegen ProSieben“, in dem die Fach-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Meike Ista einen Arbeitstag lang mit der Kamera begleitet wurde und viele weitere Pflegende zu Wort kamen.

So simpel die der Sendung zugrunde liegende Idee sein mag, so intensiv wirkte sie: Keine schnellen Schnitte, keine Werbeunterbrechungen: die Zuschauer erlebten den Arbeitsalltag in der Pflege aus der Ich-Perspektive.

Der Frust wächst

Auch die individuellen Aussagen der eingeblendeten Pflegekräfte entwickelten mehr Kraft als jede Statistik. Sie berichteten von ihrem Engagement und ihrer beruflichen Motivation, aber auch von altbekannten und neueren Missständen im Pflegebereich.

Manche von ihnen glauben nach Jahren des Anmahnens und Abwartens nicht mehr an deren Abhilfe. 9.000 ihrer Kollegen haben im Verlauf des letzten Jahres die Konsequenzen gezogen und ihren Pflegeberuf gekündigt.

 

*** Müssen wir uns also künftig selbst pflegen? Teil 2 gibt Auskunft. ***


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Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 1)

Es klingt wie ein schlechter Witz: Das deutsche Gesundheitswesen krankt. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft ver.di fehlen an deutschen Kliniken insgesamt etwa 80.000 Pflegefachkräfte. Grund genug für Personalplaner, sich proaktiv um neue Mitarbeiter zu bemühen und mit Anreizen zu locken.

Neben der Bindung von Mitarbeitern ist deren Gewinnung zu einem wichtigen und permanenten Thema bei den Verantwortlichen avanciert, dem viel Zeit und Mühe gewidmet wird. Ressourcen, die eigentlich anderen Aufgaben wie der Dienstplanung zukommen sollten. Doch die Pflegekräfte sind knapp und der Wettbewerb hart.

Ein beinharter Wettbewerb

Zuweilen treibt die Personalnot traurige Blüten. Da parkt dann schon mal ein Transporter vorm Klinikausgang, auf dessen Flanken Stellenangebote im Konkurrenzklinikum offeriert werden. Oder man animiert Mitarbeiter zum Scouten von Talenten und zahlt „Kopfprämien“ für das Abwerben von Pflegekräften.

Aber warum eigentlich? Für viele Pflegebereiche sind personelle Untergrenzen in der Besetzungsplanung definiert. Im klinischen Bereich regelt beispielsweise die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), wie viele Patienten maximal auf eine Pflegekraft entfallen dürfen. Da Kliniken und Pflegeheime eine Vollbelegung im lukrativen Pflegebereich anstreben, sind sie also auf einen gewissen Personalbestand angewiesen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Natürlich existieren auch weniger kontroverse Methoden zur Mitarbeitergewinnung. Vereinzelt bieten Krankenhausträger ihren Mitarbeitern den Erwerb akademischer Pflegequalifikationen an, um deren Wunsch nach beruflicher Weiterbildung zu entsprechen und ihre Motivation zu steigern.

Nachwuchs im Gesundheitswesen ist wichtig

Präsenz auf Jobmessen zu zeigen reicht auch bei der Nachwuchsförderung nicht mehr aus. Kreativität ist gefragt. So laden beispielsweise Bewerberbusse in Fußgängerzonen zu einem unverbindlichen Informationsgespräch zwischen potentiellen Azubis und Mitarbeitern der entsprechenden Klinik ein.

Ein überraschend simples und erfolgreiches Modell: Nicht wenige Interessenten verlassen den Bus mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche. Auch Praktikanten werden über solche Wege für das Unternehmen gewonnen.

 

– Aber genügt das denn? Und woher sollen zusätzliche Pflegekräfte kommen?  Der zweite Teil dieses Beitrags klärt auf. –


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New Work (Teil 5)

Zur Zeit der geistigen Geburt von New Work in den 1970ern sah die Arbeitswelt noch ganz anders aus. Doch auch heute, da einzelne Unternehmen aus freien Stücken die 4-Tage-Woche einführen oder Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen, tut sich die Politik schwer damit, die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für bessere New Work zu schaffen. Zum Thema (Neue) Arbeit äußern sich nahezu alle deutschen Volksparteien gleichermaßen reserviert.

Wie steht die Politik zur New Work?

So propagiert die CDU einen Rechtsanspruch auf Teilzeit, die SPD möchte diesen für Home Office verankern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versucht, mit seinem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ Stellenabbau zu vermeiden und die Kurzarbeit in Kombination mit Weiterqualifizierungen zu fördern – ein ähnlicher, wenn auch nicht so weit gefasster Ansatz wie in den 1970ern  bei General Motors in Flint.

Die Grünen stellen in Aussicht, nach der Elternzeit früher als bisher wieder in den Beruf zurückzukehren zu können, und die Linke hat immerhin das Thema Crowdworking (freiberufliche Auftragsarbeit, z.B. Texterstellung) für sich entdeckt und möchte Selbstständige sozialrechtlich absichern. So oder so: Die Fokussierung auf Home Office allein genügt nicht.

Pro und contra: Home Office

Apropos Home Office. Einer der wenigen Kritikpunkte an New Work bezieht sich auf den fließenden Übergang zwischen Berufs- und Privatleben. Da eine klare Abgrenzung fehle, häuften Mitarbeiter im Home Office viele Überstunden an, für die sie überdies nicht entlohnt würden. Andere Kritiker argumentieren, Unternehmen seien nicht dem Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter, sondern dem ihrer Kunden verpflichtet. Glückliche Mitarbeiter rechtfertigten keine möglichen Auftragsverluste.

Nun liegt es New Workern fern, ihrem Unternehmen Umsatzeinbußen zu bescheren, schließlich verstehen sie sich als Teil desselben. Und es obliegt jedem Unternehmen, die Regeln der New Work zu umreißen. Home Office beispielsweise ist nicht per se an eine Rufbereitschaft rund um die Uhr gekoppelt. Umgekehrt greifen Mitarbeiter aber gerne auch mal im heimischen Büro zum Hörer, wenn nach dem beruflichen Telefonat im Garten die Wasserschlacht mit dem Nachwuchs wartet.

Ja, Arbeit darf nämlich durchaus Spaß machen. Auch wenn Frithjof Bergmann dieses Wort im Zusammenhang mit New Work so gar nicht gefällt.

 

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New Work (Teil 4)

In vielen Unternehmen sind solche Modelle längst etabliert. Oftmals nicht ganz freiwillig, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt verlangt nach Veränderung. Ob im IT- oder Pflegebereich, in der Beratung oder im Handwerk: Der Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen und Organisationen dazu, die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Der Pflegenotstand und die New Work

Nun ist es nicht jeder Branche vergönnt, mit Gewinnbeteiligungen um künftige Angestellte zu buhlen. Mitarbeitern im Pflegebereich erscheinen zuweilen selbst milde Formen von New Work wie flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur beruflichen Fortbildung oder flache Hierarchien wie gewagte Zukunftsutopien. Berufliche Perspektivlosigkeit und geringes Einkommen sind hingegen Realität und für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen mitverantwortlich.

Der Mangel an Pflege(fach)kräften wurde in den letzten Jahren zum Dauerthema . Obwohl sie seit Jahren am Limit arbeiten und durch die Corona-Pandemie teilweise dauerüberlastet sind, ist keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sicht. Jede dritte Pflegekraft denkt mittlerweile über einen Jobwechsel nach.

Berufung statt Beruf: Der Grundsatz der New Work

Dabei sind sich Pflegekräfte im Gegensatz zu manch anderen Arbeitnehmern der Tatsache bewusst, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Dieses Wissen reicht zur Mitarbeitergewinnung und –bindung allerdings nicht aus. Entscheidende Faktoren sind der Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen, die Anerkennung der eigenen Arbeit und die Möglichkeit, diese mitzugestalten. Identifikation durch Integration. Oder, anders ausgedrückt: Echte Teilhabe an der Gemeinschaft.

Selbstbestimmtheit ist wichtig, Supervisionen oder die Aussicht auf den Erwerb akademischer Qualifikationen motivieren zusätzlich. Denn auch lebenslanges Lernen zählt zu den Grundprinzipien von New Work. Sie erinnern sich:  Arbeit, die du wirklich, wirklich willst. Die eigenen Qualifikationen optimiert man als Mitarbeiter schon aus eigenem Interesse.

Nur noch fünf Tage bis zum Wochenende

Die in ihren strengen Strukturen erstarrte Erwerbsarbeit der 1970er Jahre, welche Frithjof Bergmann mit einer leichten Erkältung verglich, die man noch bis Freitag aushalte, sollte zum Wohle der Mitarbeiter, aber auch des Unternehmens der Vergangenheit angehören.

Produktivität und Wachstum, jene Schlagworte der Industrialisierung, sind noch immer aktuell. Allerdings werden sie heute mit Motivation und Identifikation in direkten kausalen Zusammenhang gesetzt.

Moderne Unternehmen und Organisationen bauen auf Mitarbeiter, die nicht gezwungenermaßen, sondern gerne zur Arbeit erscheinen. Weil sich ihr Arbeitsumfeld stetig verbessert und die Teamarbeit gefördert wird. Weil sie sich nicht als kleine Rädchen in Getrieben, sondern als mitspracheberechtigten Teil der Unternehmensgemeinschaft empfinden. Und weil ihnen mehr Einfluss auf ihre Tätigkeit sowie Zeit für Familie und Hobbys gewährt wird.

 

– Wie steht eigentlich die deutsche Politik zur New Work?  Der 5. und letzte Teil dieses Beitrags vergleicht die Aussagen der verschiedenen Parteien. –


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New Work (Teil 3)

Flexibel denkende und agil handelnde Mitarbeiter stehen bei vielen Unternehmen hoch im Kurs. Auch engagierte Quereinsteiger und –denker sind gefragter denn je. Menschen, welche nicht nur ihre Arbeitszeit ableisten, sondern auch ihre individuellen Fähigkeiten in den Job einbringen. Die mit viel Empathie auf Kunden und spezielle Problemstellungen eingehen und auch mal unorthodoxe Ideen entwickeln, wenn ausgefallene Lösungen notwendig sind.

New Work lässt unkonventionelle Ideen zu

New Work in der Arbeitswelt 4.0 beinhaltet noch immer Frithjof Bergmanns Werte Selbstständigkeit, persönliche Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Die aktuelle Interpretation seiner Sozialutopie diskreditiert diese Werte also keineswegs, sondern setzt sie innerhalb der heutigen Möglichkeiten einzelner Unternehmen und Branchen in die Praxis um.

Revolutionäre Ideen lassen sich oftmals nur im Rahmen von Kompromissen realisieren. Dies trifft auf neue Techniken und Ideologien ebenso zu wie auf Visionen. Nicht immer sind deren Erfinder mit dem Ergebnis zufrieden, siehe Karl Marx. Und doch rücken auch Kompromisse die Welt meist ein Stück weit in die von ihnen angedachte Richtung.

Ansätze für New Work: Der erste Schritt

Zunächst ist nicht entscheidend, wie konsequent das eigene Unternehmen die Philosophie von New Work umsetzt. Allein das Wahrnehmen der Mitarbeiter als Individuum mit Familie, Zielen, Engagement, Wünschen, Talenten und Ideen durch den Vorgesetzten bedeutet vielerorts bereits einen bedeutenden Schritt nach vorn.

Allerdings sollten auch die Mitarbeiter selbst an einer Verbesserung ihres Arbeitsumfelds und der Integration ihrer persönlichen Fähigkeiten interessiert sein. Und natürlich motiviert, sich in diesen Prozess proaktiv einzubringen – egal, ob man ihn New Work nennt oder nicht. Gerade in bislang streng hierarchisch geführten Organisationen ist dies keine Selbstverständlichkeit.

Freiheit, Teilhabe und Selbstständigkeit: Die Werte von New Work

Den  Arbeitnehmern wurde mit Einführung der Vertrauensarbeitszeit eine gewisse Selbstbestimmtheit gewährt. Schließtag in der Kita? In Ordnung, dann mache ich heute halt Home Office. Oma zum Arzt fahren? Dank gleitender Arbeitszeit kein Problem.

Das Vertrauen des Arbeitgebers ersetzte die Kontrolle und das Einräumen von Freiheiten führte zu erhöhter Selbstständigkeit bei den Mitarbeitern.

Deren Eigenverantwortung kann weiter gesteigert werden, indem sie beispielsweise ihre Budgets selbst verwalten oder in wichtige unternehmerische Prozesse miteinbezogen werden.

So sind die Mitarbeiter mancher Unternehmen bei Entscheidungen stimmberechtigt, können eigene Leistungsziele selbst festlegen oder werden am Unternehmenserfolg beteiligt. Im Idealfall fühlt ihre Arbeit sich an wie die am eigenen Start-Up. Work-Life-Fusion statt nur –Balance.

 

– Geht das denn auch in Branchen wie beispielsweise der Pflege?  In Teil 4 dieses Beitrags zeigen wir Möglichkeiten auf . –


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New Work (Teil 2)

Der arbeitende Mensch der Gegenwart strebt vermehrt nach Selbstverwirklichung und dem Integrieren seiner Talente in seine berufliche Tätigkeit. Dieser durchaus egoistische Wunsch wurde in früheren Zeiten arbeitgeberseitig eher als Hemmnis empfunden. Konformität war das Gebot der Stunde, Individualisierung jeglicher Art war verpönt. Schließlich musste auch der Vorgesetzte Punkt 8:00 Uhr am Schreibtisch sitzen, statt seiner Verantwortung vom Frühstückstisch aus nachzugehen.

Arbeit und Freizeit sind kein Widerspruch

Längst haben wir jedoch den Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungs- und digitalen Zeitalter vollzogen. In vielen Unternehmen haben sich mehr oder weniger innovative Ansätze bei der Gestaltung des Arbeitsumfelds bereits durchgesetzt. Eigenverantwortung, gesundheitspräventive Maßnahmen und das Berücksichtigen von privaten Rahmenbedingungen sollen Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, nicht mehr Untergebene, sondern geschätzte Ruderer im selben Boot zu sein.

Arbeitszeiten und –orte sind immer öfter flexibel, Beruf und Familie vereinbar und Hierarchien flacher. Teilzeitarbeit und Transparenz zählen längst zu den festen Bestandteilen des Arbeitslebens, und auch Home Office und Entspannungsseminare sollen zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen. Doch ist dies tatsächlich New Work?

Spaß allein reicht nicht

Nein! sagt Frithjof Bergmann, dem diese Ansätze nicht weit genug gehen. Auch deshalb nicht, weil seine Vision einen anderen Ansatz verfolgt als das bloße Versüßen des Arbeitsalltags und den daraus resultierenden Spaß bei der Arbeit. In seiner ursprünglichen Vision der New Work sollten die Menschen ihre individuellen Talente suchen und in selbstständiger Weise zu ihrem wie auch zum Wohl der Gemeinschaft anwenden. Arbeit, die du wirklich, wirklich willst, so das New-Work-Credo.

Das klingt tatsächlich nicht nach Tischkicker und Team-Yoga. Diese sind bestenfalls das i-Tüpfelchen auf einer gelungenen New Work-Strategie. Kein Mensch arbeitet wegen der Tischtennispausen bei hippen Global Playern. Sondern weil die Arbeit dort seinen individuellen Neigungen entspricht und das Einbringen seiner Persönlichkeit geschätzt wird.

Ein echter New Worker arbeitet nicht für ein Unternehmen. Er empfindet sich als Teil des Unternehmens.

 

– Aber wie setzt man das um?  Teil 3 dieses Beitrags gibt Auskunft darüber . –


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New Work (Teil 1)

Nehmen wir an, Karl Marx sei noch am Leben und hätte miterlebt, auf welch unterschiedliche Weise seine Idee des Kommunismus im Lauf der Jahre interpretiert wurde. Sicherlich wäre er von totalitären politischen Systemen, deren Weltbild und Massenverbrechen wie der maoistischen Kulturrevolution oder dem Großen Terror unter Stalin nicht begeistert gewesen und er hätte sich deutlich von diesen distanziert.

Prof. Dr. Frithjof Bergmann ergeht es mit New Work ähnlich. Der austro-amerikanische Philosoph, der in deutschsprachigen Vorträgen auch den Begriff Neue Arbeit benutzt, entwickelte Ende der 1970er Jahre eine unerhört revolutionäre Sozialutopie. Diese sah nicht nur eine Teilung des starr getakteten 8-Stunden-Arbeitsalltags vor, sondern auch eine Sinnsuche und -findung der einzelnen Arbeitnehmer in ihren Tätigkeiten. Berufung statt Beruf. Die aktuelle Interpretation der New Work-Idee reicht ihm nicht weit genug.

Die kreative Kraft

Bergmann ist kein Hippie-Philosoph. Er hatte einen Lehrstuhl an der University of Michigan inne und führte Lehraufträge an der Stanford-Universität, der University of Chicago und der University of Berkeley aus. Daneben beriet er Regierungen, Firmen, Gewerkschaften und Kommunen in Fragen der Zukunft der Arbeit und der Innovationsfreudigkeit. Und er ärgert sich darüber, dass heutzutage bereits ein bisschen mehr Eigenverantwortung im Job gleich als New Work gilt.

Wie Karl Marx, setzte sich auch Frithjof Bergmann intensiv mit dem vorherrschenden Modell des Kapitalismus auseinander. In seinem Hauptwerk Das Kapital charakterisiert Karl Marx das Wesen der menschlichen Existenz als „Fähigkeit des Menschen, seine Umwelt schöpferisch und frei zu gestalten“. Diese kreative Kraft ist laut Bergmann auch der Schlüssel zur New Work, welche das durch unflexible Arbeitsmodelle ausgebremste Potential der Arbeiter nutzen wollte.

Das New Work der 1970er

New Work sah vor, die Lohnarbeitszeit zu verringern und um die Sparten Selbstversorgung und selbstständige Tätigkeiten zu erweitern, die den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen eher entsprechen als beispielsweise seine Arbeit am Fließband. Bei der Suche nach einer für ihn geeigneten Nebentätigkeit solle der Mitarbeiter kräftig unterstützt werden – und zwar vom Arbeitgeber!

Das klingt weltfremd? Nicht, wenn man den Kontext betrachtet, in dem New Work geboren wurde. Bergmann arbeitete in den 1970er Jahren bei General Motors in Flint/Michigan, wo sich die Werksarbeiter bedingt durch Rezession und den Einsatz moderner Fertigungstechniken mit drohenden Massenentlassungen konfrontiert sahen. Diese sollten durch Kurzarbeit verhindert und zugleich den Arbeitern werksseitig dabei geholfen werden, in der freigestellten Zeit ihre Talente für andere Tätigkeiten zu finden.

So gesehen, war New Work zunächst eine Form des Krisenmanagements. Dass Bergmanns Idee nach vielen Jahren eine Renaissance und Neuinterpretation erlebt, verdankt sie weitaus größeren, strukturellen Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt als seinerzeit in Michigan. Was die Frage aufwirft, ob man New Work angesichts der veränderten Umstände neu interpretieren darf oder gar muss.

Was hat sich geändert?

Der arbeitende Mensch der Gegenwart strebt vermehrt nach Selbstverwirklichung und dem Integrieren seiner Talente in seine berufliche Tätigkeit. Dieser durchaus egoistische Wunsch wurde in früheren Zeiten arbeitgeberseitig eher als Hemmnis empfunden. Konformität war das Gebot der Stunde, Individualisierung jeglicher Art war verpönt. Schließlich musste auch der Vorgesetzte Punkt 8:00 Uhr am Schreibtisch sitzen, statt seiner Verantwortung vom Frühstückstisch aus nachzugehen.

Arbeit und Freizeit sind kein Widerspruch

Längst haben wir jedoch den Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungs- und digitalen Zeitalter vollzogen. In vielen Unternehmen haben sich mehr oder weniger innovative Ansätze bei der Gestaltung des Arbeitsumfelds bereits durchgesetzt. Eigenverantwortung, gesundheitspräventive Maßnahmen und das Berücksichtigen von privaten Rahmenbedingungen sollen Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, nicht mehr Untergebene, sondern geschätzte Ruderer im selben Boot zu sein.

Arbeitszeiten und –orte sind immer öfter flexibel, Beruf und Familie vereinbar und Hierarchien flacher. Teilzeitarbeit und Transparenz zählen längst zu den festen Bestandteilen des Arbeitslebens, und auch Home Office und Entspannungsseminare sollen zu einer Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen. Doch ist dies tatsächlich New Work?

Spaß allein reicht nicht

Nein! sagt Frithjof Bergmann, dem diese Ansätze nicht weit genug gehen. Auch deshalb nicht, weil seine Vision einen anderen Ansatz verfolgt als das bloße Versüßen des Arbeitsalltags und den daraus resultierenden Spaß bei der Arbeit. In seiner ursprünglichen Vision der New Work sollten die Menschen ihre individuellen Talente suchen und in selbstständiger Weise zu ihrem wie auch zum Wohl der Gemeinschaft anwenden. Arbeit, die du wirklich, wirklich willst, so das New-Work-Credo.

Das klingt tatsächlich nicht nach Tischkicker und Team-Yoga. Diese sind bestenfalls das i-Tüpfelchen auf einer gelungenen New Work-Strategie. Kein Mensch arbeitet wegen der Tischtennispausen bei hippen Global Playern. Sondern weil die Arbeit dort seinen individuellen Neigungen entspricht und das Einbringen seiner Persönlichkeit geschätzt wird.

Individuelle Stärken fügen sich ineinander

Ein echter New Worker arbeitet nicht für ein Unternehmen. Er empfindet sich als Teil des Unternehmens.

New Work 4.0

Flexibel denkende und agil handelnde Mitarbeiter stehen bei vielen Unternehmen hoch im Kurs. Auch engagierte Quereinsteiger und –denker sind gefragter denn je. Menschen, welche nicht nur ihre Arbeitszeit ableisten, sondern auch ihre individuellen Fähigkeiten in den Job einbringen. Die mit viel Empathie auf Kunden und spezielle Problemstellungen eingehen und auch mal unorthodoxe Ideen entwickeln, wenn ausgefallene Lösungen notwendig sind.

New Work lässt unkonventionelle Ideen zu

New Work in der Arbeitswelt 4.0 beinhaltet noch immer Frithjof Bergmanns Werte Selbstständigkeit, persönliche Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Die aktuelle Interpretation seiner Sozialutopie diskreditiert diese Werte also keineswegs, sondern setzt sie innerhalb der heutigen Möglichkeiten einzelner Unternehmen und Branchen in die Praxis um.

Revolutionäre Ideen lassen sich oftmals nur im Rahmen von Kompromissen realisieren. Dies trifft auf neue Techniken und Ideologien ebenso zu wie auf Visionen. Nicht immer sind deren Erfinder mit dem Ergebnis zufrieden, siehe Karl Marx. Und doch rücken auch Kompromisse die Welt meist ein Stück weit in die von ihnen angedachte Richtung.

Ansätze für New Work: Der erste Schritt

Zunächst ist nicht entscheidend, wie konsequent das eigene Unternehmen die Philosophie von New Work umsetzt. Allein das Wahrnehmen der Mitarbeiter als Individuum mit Familie, Zielen, Engagement, Wünschen, Talenten und Ideen durch den Vorgesetzten bedeutet vielerorts bereits einen bedeutenden Schritt nach vorn.

Allerdings sollten auch die Mitarbeiter selbst an einer Verbesserung ihres Arbeitsumfelds und der Integration ihrer persönlichen Fähigkeiten interessiert sein. Und natürlich motiviert, sich in diesen Prozess proaktiv einzubringen – egal, ob man ihn New Work nennt oder nicht. Gerade in bislang streng hierarchisch geführten Organisationen ist dies keine Selbstverständlichkeit.

Das Indiviuum in der New Work

Freiheit, Teilhabe und Selbstständigkeit: Die Werte von New Work

Das New Work-Feeling

Den  Arbeitnehmern wurde mit Einführung der Vertrauensarbeitszeit eine gewisse Selbstbestimmtheit gewährt. Schließtag in der Kita? In Ordnung, dann mache ich heute halt Home Office. Oma zum Arzt fahren? Dank gleitender Arbeitszeit kein Problem.

Das Vertrauen des Arbeitgebers ersetzte die Kontrolle und das Einräumen von Freiheiten führte zu erhöhter Selbstständigkeit bei den Mitarbeitern.

Deren Eigenverantwortung kann weiter gesteigert werden, indem sie beispielsweise ihre Budgets selbst verwalten oder in wichtige unternehmerische Prozesse miteinbezogen werden.

So sind die Mitarbeiter mancher Unternehmen bei Entscheidungen stimmberechtigt, können eigene Leistungsziele selbst festlegen oder werden am Unternehmenserfolg beteiligt. Im Idealfall fühlt ihre Arbeit sich an wie die am eigenen Start-Up. Work-Life-Fusion statt nur –Balance.

In vielen Unternehmen sind solche Modelle längst etabliert. Oftmals nicht ganz freiwillig, denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt verlangt nach Veränderung. Ob im IT- oder Pflegebereich, in der Beratung oder im Handwerk: Der Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen und Organisationen dazu, die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Hausmittel gegen Fachkräftemangel

Nun ist es nicht jeder Branche vergönnt, mit Gewinnbeteiligungen um künftige Angestellte zu buhlen. Mitarbeitern im Pflegebereich erscheinen zuweilen selbst milde Formen von New Work wie flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur beruflichen Fortbildung oder flache Hierarchien wie gewagte Zukunftsutopien. Berufliche Perspektivlosigkeit und geringes Einkommen sind hingegen Realität und für den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen mitverantwortlich.

Pflegenotstand 2021

Der Mangel an Pflege(fach)kräften wurde in den letzten Jahren zum Dauerthema . Obwohl sie seit Jahren am Limit arbeiten und durch die Corona-Pandemie teilweise dauerüberlastet sind, ist keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Sicht. Jede dritte Pflegekraft denkt mittlerweile über einen Jobwechsel nach.

Dabei sind sich Pflegekräfte im Gegensatz zu manch anderen Arbeitnehmern der Tatsache bewusst, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. Dieses Wissen reicht zur Mitarbeitergewinnung und –bindung allerdings nicht aus. Entscheidende Faktoren sind der Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen, die Anerkennung der eigenen Arbeit und die Möglichkeit, diese mitzugestalten. Identifikation durch Integration. Oder, anders ausgedrückt: Echte Teilhabe an der Gemeinschaft.

Selbstbestimmtheit ist wichtig, Supervisionen oder die Aussicht auf den Erwerb akademischer Qualifikationen motivieren zusätzlich. Denn auch lebenslanges Lernen zählt zu den Grundprinzipien von New Work. Sie erinnern sich:  Arbeit, die du wirklich, wirklich willst. Die eigenen Qualifikationen optimiert man als Mitarbeiter schon aus eigenem Interesse.

New Work in Pflegebranchen

Nur noch fünf Tage bis zum Wochenende

Die in ihren strengen Strukturen erstarrte Erwerbsarbeit der 1970er Jahre, welche Frithjof Bergmann mit einer leichten Erkältung verglich, die man noch bis Freitag aushalte, sollte zum Wohle der Mitarbeiter, aber auch des Unternehmens der Vergangenheit angehören.

Motivierte Mitarbeiter an 7 Tagen die Woche

Produktivität und Wachstum, jene Schlagworte der Industrialisierung, sind noch immer aktuell. Allerdings werden sie heute mit Motivation und Identifikation in direkten kausalen Zusammenhang gesetzt.

Moderne Unternehmen und Organisationen bauen auf Mitarbeiter, die nicht gezwungenermaßen, sondern gerne zur Arbeit erscheinen. Weil sich ihr Arbeitsumfeld stetig verbessert und die Teamarbeit gefördert wird. Weil sie sich nicht als kleine Rädchen in Getrieben, sondern als mitspracheberechtigten Teil der Unternehmensgemeinschaft empfinden. Und weil ihnen mehr Einfluss auf ihre Tätigkeit sowie Zeit für Familie und Hobbys gewährt wird.

Die Politik und New Work

Zur Zeit der geistigen Geburt von New Work in den 1970ern sah die Arbeitswelt noch ganz anders aus. Doch auch heute, da einzelne Unternehmen aus freien Stücken die 4-Tage-Woche einführen oder Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen, tut sich die Politik schwer damit, die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für bessere New Work zu schaffen. Zum Thema (Neue) Arbeit äußern sich nahezu alle deutschen Volksparteien gleichermaßen reserviert.

So propagiert die CDU einen Rechtsanspruch auf Teilzeit, die SPD möchte diesen für Home Office verankern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versucht, mit seinem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ Stellenabbau zu vermeiden und die Kurzarbeit in Kombination mit Weiterqualifizierungen zu fördern – ein ähnlicher, wenn auch nicht so weit gefasster Ansatz wie in den 1970ern  bei General Motors in Flint.

Die Grünen stellen in Aussicht, nach der Elternzeit früher als bisher wieder in den Beruf zurückzukehren zu können, und die Linke hat immerhin das Thema Crowdworking (freiberufliche Auftragsarbeit, z.B. Texterstellung) für sich entdeckt und möchte Selbstständige sozialrechtlich absichern. So oder so: Die Fokussierung auf Home Office allein genügt nicht.

Volksparteien tun sich schwer mit New Work

Pro und contra: Home Office

Mehr Lebensfreude durch angewandte New Work

Apropos Home Office. Einer der wenigen Kritikpunkte an New Work bezieht sich auf den fließenden Übergang zwischen Berufs- und Privatleben. Da eine klare Abgrenzung fehle, häuften Mitarbeiter im Home Office viele Überstunden an, für die sie überdies nicht entlohnt würden. Andere Kritiker argumentieren, Unternehmen seien nicht dem Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter, sondern dem ihrer Kunden verpflichtet. Glückliche Mitarbeiter rechtfertigten keine möglichen Auftragsverluste.

Nun liegt es New Workern fern, ihrem Unternehmen Umsatzeinbußen zu bescheren, schließlich verstehen sie sich als Teil desselben. Und es obliegt jedem Unternehmen, die Regeln der New Work zu umreißen. Home Office beispielsweise ist nicht per se an eine Rufbereitschaft rund um die Uhr gekoppelt. Umgekehrt greifen Mitarbeiter aber gerne auch mal im heimischen Büro zum Hörer, wenn nach dem beruflichen Telefonat im Garten die Wasserschlacht mit dem Nachwuchs wartet.

Ja, Arbeit darf nämlich durchaus Spaß machen. Auch wenn Frithjof Bergmann dieses Wort im Zusammenhang mit New Work so gar nicht gefällt.

 


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