Bye bye Pflege (Teil 5)

Dazu müssen Pflegeberufe allerdings künftig mehr Anreize bieten. Bereits heute fehlen in Pflegeheimen 120.000 zusätzliche Vollzeit- oder 200.000 Teilzeitstellen, wie der Gesundheitsökonom Prof. Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen im Auftrag der Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Berufsverbände errechnet hat. „Der Markt ist komplett leer gefegt“, so sein Fazit. „Die andere Hälfte des Notstands ist aber, dass es im Pflegebereich viel zu wenig Stellen gibt.“

Der Mindestbedarf muss gedeckt werden

Diesem Manko trägt man mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) Rechnung, welches einen Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Schaffung von 20.000 zusätzlichen Stellen für Pflegehilfskräfte vorsieht. Es stützt sich auf ein Verfahren zur Errechnung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen, das am SOCIUM Forschungszentrum erarbeitet wurde.

Rasches Handeln ist nötig, wie Studien beweisen. So hat das Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) deutschlandweit knapp 2.000 Pflegeexperten aus Pflegeheimen und ambulanten Diensten befragt, inwieweit sich deren Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie verschlechtert haben. 40 Prozent der Befragten klagten über eine Zunahme der körperlichen Belastung. Die psychische Belastung sei gar um bis zu 65 Prozent gestiegen. Grund für die Mehrbelastung in der stationären Pflege seien zusätzliche Aufgaben, die im Zuge der Pandemie angefallen seien.

Nur jede 5. Stelle wird besetzt

In einer anderen Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) berichteten bis zu 84 Prozent der befragten Pflegekräfte von Personalmangel, Überlastung und dem aus Zeitnot resultierenden Wegfall pflegerischer Tätigkeiten wie Körper- und Mundpflege von Patienten oder der Vorbeugung von Thrombosen oder Infektionen. Darüber hinaus gehen zwei Drittel der Pflegenden täglich mit der Angst zur Arbeit, sich und ihre eigene Familie mit dem Corona-Virus anzustecken.

Schätzungen zufolge entfielen auch vor der Pandemie auf 100 freie Stellen in der Altenpflege gerade mal 27 Bewerber. Am Ende wird nur jede fünfte Stelle besetzt. Und das dauert im Durchschnitt ein halbes Jahr. Sechs Monate, in denen Patienten schlechter versorgt werden, als es ihnen zusteht. In denen Pflegekräfte täglich ein Plus auf ihre Schicht packen, ein Plus an Arbeit, an Zeit, an Menschlichkeit, an Würde.

Es ist an der Zeit, dieses Plus zu honorieren. In Form von zusätzlichen Pflegekräften, von besserer Aus- und Fortbildung, höheren Löhnen und beruflichen Perspektiven. In Form von Respekt.

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Bye bye Pflege (Teil 4)

Die Realität sieht derzeit anders aus. Während der Pandemie wurden im Pflegebereich teilweise Arbeitszeit- und Schutzgesetze sowie Pflegepersonal-Untergrenzen ausgesetzt, um Mehrarbeit und durchgearbeitete Wochenenden zu ermöglichen. Alte, vorerkrankte und sogar positiv getestete Mitarbeiter mussten zum Dienst erscheinen, weil sie nicht abkömmlich waren.

Im Berliner Humboldt-Klinikum durften sich die Beschäftigten nach einem Ausbruch der Coronavirus-Mutation B.1.1.7. innerhalb einer Pendelquarantäne im Januar 2021 nur zwischen der Klinik und ihrem Zuhause bewegen. Essen, schlafen, arbeiten.

Pflegen statt Fliegen

Ein anderes bekanntes Berliner Klinikum – die Charité – stockte vorübergehend den Personalbestand im Pflegedienst durch Flugbegleiterinnen auf, die sich in Kurzarbeit befanden. So konnten Fachpflegekräfte entlastet werden und die Intensivstationen unterstützen.

Viele Lösungen sind und waren improvisiert und dem Corona-Virus geschuldet. Doch auch unabhängig vom Pandemiegeschehen fehlt es seit langer Zeit an vielem. An besserer Qualifikation durch Aus- und Fortbildung zum Beispiel oder an der Übertragung von Verantwortung.

Qualifizierung als Anreiz

„Weil die Pflege ein Assistenzberuf ist, müssen Ärzte fast alles erstmal abnicken“, so die Professorin Henrikje Stanze von der Hochschule Bremen. Da Pflegekräfte jedoch eigene Kompetenzbereiche haben, wird an ihrer Fakultät seit dem Wintersemester 2019/2020 Deutschlands erster international anerkannter Vollzeit-Pflegestudiengang angeboten.

Das auf acht Semester ausgelegte Studium mit dem Abschluss Bachelor of Science umfasst Theorie- und Praxisphasen und ein verpflichtendes Auslandssemester. So erhalten Studierende Einblick in die Organisation anderer Länder und Wissen über dort übliche Hilfsmittel und Behandlungsmöglichkeiten. Da der Studiengang international angelegt ist, können auch ausländische Studierende ihn besuchen – und so den Einstieg in die deutsche Pflegebranche finden.

 

*** Welche Ansätze existieren außerdem? Teil 5 schließt das Thema (vorläufig) ab. ***


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Bye bye Pflege (Teil 3)

Natürlich sind es nicht die Prämien, die pflegende Menschen in ihrem Job halten oder sie diesen ergreifen lassen. Es ist ihr Berufsethos: der Wunsch, anderen Menschen zu helfen. Doch auch das größte Engagement leidet, wenn man innerhalb einer 12-Stunden-Schicht um das Leben und die Genesung von Patienten ringt, die Ansteckungsgefahr mit dem Tragen von Schutzkleidung und dem Desinfizieren von Gegenständen niedrig hält – und auf dem Heimweg in eine polizeibegleitete Massendemonstration gegen Schutzmaßnahmen gerät.

Längst geht es nicht mehr nur um zu geringe Löhne und zu belastende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. Aber eben auch.

Laut einer Daten-Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) aus dem Jahr 2019 lag der Lohn bei einem Drittel der Pflegekräfte und bei 15 % der Pflegefachkräfte in der Altenpflege unterhalb der Niedriglohnschwelle von 2.203 Euro brutto im Monat.

Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, hat daher ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro für Pflegefachkräfte als angemessene und gegenüber anderen Berufsgruppen konkurrenzfähige Entlohnung angeregt. Er möchte damit auch „Pflegende motivieren, ihre Teilzeitstellen aufzustocken oder in den Beruf zurückzukehren.“

Neben höheren Löhnen fordert er unter anderem auch einen besseren Gesundheitsschutz und ein bundeseinheitliches Bemessungsverfahren, um die Personalbestände aufstocken zu können.

Reform-Entwürfe im Wahljahr 2021

Einen weiteren Vorstoß hin zu einem einheitlichen Tarifvertrag für Pflegekräfte in der Altenpflege unternahm 2021 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein „Gesetzentwurf für ein Pflege-Tariftreue-Gesetz“ macht Tariflöhne zur Bedingung für Abrechnungen mit der Pflegeversicherung. „Betreiber von Pflegeeinrichtungen bekommen nur dann Geld aus der Pflegeversicherung, wenn sie ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen“, so Heil.

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in seinem Entwurf zur Reform der Pflegefinanzierung bereits angeregt, in Zukunft nur noch Pflegedienste und Pflegeheime zuzulassen,  die nach Tarif oder tarifähnlich bezahlen.

 

*** Wurde dieser Plan umgesetzt? Und welche Gründe halten Menschen abseits der niedrigen Löhne davon ab, einen Pflegeberuf zu ergreifen? Das schildere ich Ihnen in Teil 4. ***


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Bye bye Pflege (Teil 1)

Pflege ist sexy – so lange sie dem eigenen Körper gewidmet ist. Ein großer Teil der täglich konsumierten 10.000 Werbebotschaften gilt denn auch diversen Pflege- und Kosmetikprodukten. Durch die Flut dieser sich ähnelnden Botschaften leiden Konsumenten allerdings mehr und mehr an Werbeblindheit, nehmen sie und die jeweils beworbenen Produkte also längst nicht mehr bewusst wahr.

Ein Schicksal, das auch die Berichterstattung über die andere Pflege betrifft. Die, welche sich mit der Betreuung hilfsbedürftiger, kranker und alter Menschen beschäftigt. Und die gemeinhin nicht als sexy gilt. Die regelmäßig in Dokumentarbeiträgen, Talk-Shows und unserer Wahrnehmung auftaucht – und doch wieder in Vergessenheit gerät, sogar in der pflegeintensiven Corona-Zeit. In der Berichte über erschwerte Arbeitsbedingungen, geplatzte Tarifverträge und Fachkräftemangel rasch durch andere, aktuellere Informationen ersetzt werden.

Hilft verdrängen wirklich?

Vieles spricht dafür, dass die meisten von uns früher oder später auf die Dienste von Pflegekräften angewiesen sein werden. Diese These wird von den meisten Menschen aber ähnlich tabuisiert wie die einzige Gewissheit im Leben: Dass alles Lebendige vergänglich ist – und wir alle irgendwann sterben werden.

Dem entsprechend, zählt Pflegebedarf zu den Dingen, die man gemeinhin in den Hinterkopf und aus dem Gedächtnis verbannt. Wie die eigene Grabstelle oder das Testament.

Wenn Promis was machen, ist es wohl wichtig

Die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf machten letztes Jahr mit einer über siebenstündigen Reportage auf ProSieben das Thema Pflege in den Mittelpunkt gerückt und setzten es unter dem Hashtag #Nichtselbstverständlich auch auf die Tagesordnung sozialer Netzwerke .

Den Senderangaben zufolge sahen allein über 17 Millionen jüngerer Zuschauer die Sendung „Joko & Klaas gegen ProSieben“, in dem die Fach-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Meike Ista einen Arbeitstag lang mit der Kamera begleitet wurde und viele weitere Pflegende zu Wort kamen.

So simpel die der Sendung zugrunde liegende Idee sein mag, so intensiv wirkte sie: Keine schnellen Schnitte, keine Werbeunterbrechungen: die Zuschauer erlebten den Arbeitsalltag in der Pflege aus der Ich-Perspektive.

Der Frust wächst

Auch die individuellen Aussagen der eingeblendeten Pflegekräfte entwickelten mehr Kraft als jede Statistik. Sie berichteten von ihrem Engagement und ihrer beruflichen Motivation, aber auch von altbekannten und neueren Missständen im Pflegebereich.

Manche von ihnen glauben nach Jahren des Anmahnens und Abwartens nicht mehr an deren Abhilfe. 9.000 ihrer Kollegen haben im Verlauf des letzten Jahres die Konsequenzen gezogen und ihren Pflegeberuf gekündigt.

 

*** Müssen wir uns also künftig selbst pflegen? Teil 2 gibt Auskunft. ***


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Lösungen für den Pflegenotstand? (Teil 2)

Das Anwerben von Pflegekräften aus dem Ausland stellt ein weiteres Beispiel für vorausschauende Personalplanung dar. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnet diese Möglichkeit sogar als „unverzichtbar“ bei der Aufgabe, dem steigenden Bedarf an Pflegefachkräften zu begegnen. Und Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reiste bis ins Kosovo und nach Mexiko, um dort Fachkräfte im Pflegebereich zu umwerben.

Hilfe aus dem Ausland

Der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur kooperiert bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern aus dem Ausland mit dem Internationalen Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Personalplaner gehen da direkter vor und knüpfen direkte Kontakte über Netzwerke, arbeiten mit Projektpartnern in den Heimatländern der Interessenten – oder werben diese kurzerhand gleich vor Ort an.

Die Kandidat:innen stammen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern. Osteuropa erfreut sich besonderer Beliebtheit, da sich unter den Bewerber:innen viele Fachkräfte mit Studienabschlüssen finden. Kandidat:innen aus Serbien, dem Kosovo und Albanien, aber auch Ungarn und Rumänien stehen auf der Wunschliste der Recruiter ganz oben.

Anerkennungsverfahren und Arbeitserlaubnis: Ein deutsches Problem

Die Projektpartner vor Ort fungieren als Dienstleister, Ausbilder und Vermittler. In vielen Fällen organisieren sie noch vor dem Wechsel nach Deutschland Sprachkurse und schulen die Fachkräfte, damit diese ihre Fachkenntnisprüfung in Deutschland ablegen können, bevor sie ihre Arbeit im Gesundheits-/Pflegebereich antreten. Die Regel ist dies jedoch nicht.

Allerdings werfen die Zugangsvoraussetzungen der neuen Mitarbeiter:innen so oder so große Probleme auf. Die Anerkennungsverfahren der Ausbildungsabschlüsse dauern zu lange und auch die Erteilung von Arbeitserlaubnissen wird oft durch allzu viel Bürokratie verkompliziert.

Gute Vorbereitung sorgt für schnelle Integration ins Team

Sind diese Hürden erst genommen und haben die neuen Mitarbeiter:innen noch keine vorbereitenden Kurse durch Projektpartner absolviert, beginnt die Anlernphase durch teilweise ohnehin schon überlastetes Personal im Vollzeitmodus.

Vorausschauende Personalentwickler entwickeln bereits im Vorfeld einen Integrationsleitfaden und reden mit dem Stammpersonal überToleranz und Nachsicht. Hier und da hilft auch ein Integrationsbeauftragter bei der Eingliederung ins deutsche Arbeitsleben.

Mehr Hilfe als nötig? Ansichtssache.

Auch organisierte Sprachkurse für die ausländischen Mitarbeiter:innen helfen dabei,  sie in die bestehenden Teams und Arbeitsabläufe zu integrieren. Kein einfaches Unterfangen, welches aber dank der Bemühungen beider Seiten meist gelingt.

Manche Arbeitgeber gehen noch einen Schritt weiter. Sie fühlen sich auch außerhalb des Dienstalltags verantwortlich für ihre neuen Mitarbeiter:innen aus dem Ausland und helfen aktiv. Zum Beispiel, indem sie ihnen beim Eröffnen eines Girokontos oder bei der Wohnungssuche helfen. Gelegentlich mieten Unternehmen sogar Wohnungen an und vermieten diese weiter, weil ihnen bekannt ist, dass viele Wohnungseigentümer vor ausländischen Mietern zurückschrecken.

 

– Viele Menschen haben Angst vor „Überfremdung“, also einem zu hohen Anteil an ausländischen Mitbürgern. Ist dies in der Pflege zu befürchten? Das lesen Sie in Teil 3 dieses Artikels. –


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